Das italienische Cinquecento gilt als das Jahrhundert in dem die europäische Literaturtheorie
der Neuzeit 'geboren wurde'. Die ausführliche zeitgenössische Diskussion um einzelne Gattungen
(wie Epos Tragödie Komödie) die im Horizont eines Gegensatzes von rhetorisch
perspektivierter Stillagenpoetik und aufkommendem poetologischem Aristotelismus steht belegt
dies. Besonders problematisch stellt sich der Renaissance die Theoretisierung einer
einheitlichen Gattung 'Lyrik' dar: Einerseits ist die Aufgabe einer Definition von 'Lyrik'
angesichts der volkssprachlichen Dichtungspraxis in der der lyrische Petrarkismus eine
Hauptströmung ist unabweisbar dringend. Andererseits stellen die disponiblen theoretischen
Optionen nur sehr fragmentarische Werkzeuge zur Bewältigung dieser Aufgabe bereit. Vor diesem
Hintergrund behandelt der Band zunächst die grundsätzliche epochentypische Problematik
konkrete lyrische Praxis und theorieoptionale Vielfalt im Rahmen einer schlüssigen
Gattungstheorie in Einklang zu bringen. Danach werden die wichtigsten lyriktheoretischen
Schriften (von G.G. Trissino J.C. Scaliger A.S. Minturno P. Torelli und T. Tasso)
ausführlich analysiert und im Anschluss die rinascimentalen Diskussionen um die wichtigsten
lyrischen Einzelformen (wie Sonett Canzone Madrigal und Ballata) kritisch untersucht. Es
erweist sich dass die Bemühung um eine kohärente Lyriktheorie in der Renaissance prekär
bleibt: Das Cinquecento zeitigt ungeachtet seiner heftigen Systematisierungsbestrebungen eine
Theorie der Lyrik 'im Plural'.