Die Klassifizierung des Altfranzösischen als V2-Sprache wird kontrovers diskutiert und bis
heute nur aus systemlinguistischer Perspektive behandelt. Die vorliegende Arbeit stellt die
V2-Frage auf neuartige Weise indem sie syntaktische Befunde systemtheoretisch und
textlinguistisch interpretiert. Auf der Basis eines Korpus aus altfranzösischen Heldenepen
Reim- und Prosachroniken wird die diskurstraditionelle Determination (Koch 1987) syntaktischer
Strukturen fokussiert. Es wird angenommen dass syntaktische Befunde zunächst einmal
individuelle Erscheinungsformen des Sprachlichen sind und als solche nicht unbedingt eine
sprachsystematische Verankerung haben denn bestimmte Textsorten können auch eine ältere oder
ganz eigene Syntax tradieren und entsprechen dann nicht dem Sprachsystem sondern gewissen
Diskurstraditionen.Theoretisch setzt sich die Arbeit kritisch mit der Definition einer
V2-Sprache auseinander. Durch die empirische Erforschung altfranzösischer Satzgliedmuster
widmet sie sich überdies der Beschaffenheit und den Besonderheiten mittelalterlicher Texte. Mit
der Frage nach dem Verhältnis von Sprach- bzw. Syntaxentwicklung und Texttradition spricht sie
ein zentrales Problem der historischen Sprachwissenschaft an.