Die grundlegende Beobachtung dass es sich bei der mittelhochdeutschen Liebeslyrik um eine
Kunst der Variation handelt ist in der Forschung bisher nur partiell für eine konkrete
Anwendung in der interpretatorischen Praxis konzeptualisiert worden. Alexander Rudolph begegnet
diesem Desiderat mit einer methodischen Neubewertung der Variationskunst im Minnesang sowie
einer umfassenden Textarbeit am Beispiel des Minnesängers Heinrich von Rugge. Dabei leistet die
Studie zum einen Grundlagenarbeit für das Rugge-Korpus das von der Forschung bisher weitgehend
vernachlässigt wurde. Zum anderen zeigt sie inwiefern sich am Rugge-Korpus exemplarisch
zentrale Verfahren und Strategien der Variationskunst nachvollziehen lassen die wesentlich für
das Textverständnis im Minnesang sind. Ihre These ist es dass eine Fokussierung auf die
Dynamiken der Variation in der Interpretation von Einzeltexten auch die Auseinandersetzung mit
den zahlreichen Korpora hochproduktiv macht die weniger als außerordentliche sondern vielmehr
als 'konventionelle' Beispiele für den Minnesang zu beschreiben sind. Somit zielt die Analyse
des Rugge-Korpus auf Fragen und Problematiken die die Gattung grundsätzlich betreffen.