Da kanonische Schriften über das Schicksal Mariens keine Auskunft geben haben
Transitus-Berichte die vom Tod und von der Himmelsaufnahme Mariens erzählen noch bis ins
Mittelalter einen schwierigen Status: Sie werden einerseits in gutem Glauben tradiert und
andererseits von Theologen kontrovers diskutiert. Am Beispiel der mittelalterlichen Rezeption
des Transitus Mariae B des Pseudo-Melito von Sardes (6. Jh.) wird bibelepisches Erzählen als
voraussetzungsreiches medien- und gattungsübergreifendes Erzählverfahren profiliert. Die Studie
nimmt in den Blick unter welchen diskursiven Bedingungen Transitus-Berichte entstehen und wie
spezialdiskursive Narrative der Assumptio Mariae in einen höfisch-geistlichen Interdiskurs des
Mittelalters integriert werden. Der interdiskurstheoretische Ansatz ermöglicht die Analyse von
Diskursinterferenzen in Text- und Bildzeugnissen sowie die Aufdeckung von
Argumentationsstrukturen im Spannungsfeld von Gelehrtenwissen und populärer Frömmigkeitspraxis.
Indem Fallstudien an volkssprachlichen Texten die spezifisch höfische Aneignung des apokryphen
Stoffs aufzeigen leistet die Studie einen Beitrag zur Funktionsbestimmung bibelepischen
Erzählens in der Vormoderne.