Der Vater-Tochter-Inzest gehört zum Kernbestand kultureller Tabus und ist zugleich ein
ausgesprochen produktives Thema in der Literatur. Die Studie widmet sich der Zeit von 1200 bis
1600 in der Inzest aus kirchenrechtlicher Perspektive primär juridische und theologische
Fragen tangiert und richtet ihren Fokus auf die in der Mediävistik bisher nur rudimentär
behandelte Verknüpfung von Inzest und Emotion die über den Tabubegriff in Verbindung gebracht
werden. Die Untersuchung fragt anhand ausgewählter biblischer und antiker Stoffe und ihrer
Rezeption nach der Rolle von Emotionen und Strategien der Tabuisierung so dass in einem
komparatistisch angelegten close reading Tabuisierungs- und Emotionalisierungstendenzen evident
werden. Auf diesem Weg gelingt es auf einer breiten Datenbasis nachzuweisen dass Emotionen in
mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Erzählungen vom Vater-Tochter-Inzest eine zentrale
Funktion in der narrativen Gestaltung der normativen Ausrichtung derFiguren- und der
Erzählerkommunikation sowie auf Ebene der Rezeption besitzen. Dabei ist das entwickelte
Instrumentarium prinzipiell offen auch über die Inzestthematik hinausreichend Emotionen in der
Literatur zu analysieren.