Seit langer Zeit besteht in der germanistischen Mediävistik Konsens darüber welch große
Bedeutung der lateinischen Hofkritik für die Art der Darstellung des Hofes und seiner Kultur in
der höfischen Dichtung des 12. und 13. Jhs. zuzumessen ist. Nichtsdestotrotz ist eine
ausführliche und systematische Untersuchung des hofkritischen Potenzials insbesondere des
höfischen Romans und der Heldenepik bislang ein Forschungsdesiderat geblieben. Diesem begegnet
die Arbeit mit einer interdiskurstheoretisch ausgerichteten Re-Lektüre von Gottfrieds von
Straßburg 'Tristan' Hartmanns von Aue 'Ereck' der 'Kudrun' und dem 'Nibelungenlied'.
Angesichts der großen Vielfalt der in der lateinischen Hofkritik angeprangerten Aspekte
konzentrieren sich die Analysen auf zwei Elemente höfischer Kultur die in besonderem
Widerspruch zu Armut Schlichtheit Demut und Innerlichkeit als zentralen christlichen Tugenden
stehen und die im volkssprachlichen Bereich zugleich breiten darstellerischen Raum erhalten
haben: die höfische Kleidung und Musik. Dabei wird deutlich dass die hochmittelalterliche
Hofkultur in der höfischen Epik nicht nur eine poetische Überhöhung sondern auch
gattungsspezifische Formen der kulturkritischen Selbstreflexion erfahren hat.