Die systematische Analyse der Entstehung leitender Ordnungsvorstellungen und sozialkultureller
Praxen der Freideutschen ist ein Desiderat der Geschichtsforschung. Auch im Zusammenhang der
Geschichte moderner Avantgarden in Deutschland im 20. Jahrhundert finden die Freideutschen als
eigenständige Suchbewegung im Rahmen des Modernisierungsgeschehens bislang keine Erwähnung.
Weitgehend ist unbekannt wie und nach welchen kulturellen sozialen ethisch-moralischen und
politischen Leitvorstellungen die lebens- kultur- und sozialreformerisch orientierten
Freideutschen die Gesellschaft gestalten und entwickeln wollten. Diese Studie verfolgt erstmals
die praktischen programmatischen und organisatorischen Verstetigungen der freideutschen
bürgerlichen Jugendkulturen sowie die mit diesen verbundenen sozialkulturellen Praxen im
Zeitraum von der Kaiserzeit bis in die Weimarer Republik systematisch nach. Sie versteht die
Freideutschen als eine im 20. Jahrhundert sozial- und kulturgeschichtlich bedeutende Elite mit
avantgardistischem Anspruch und verspricht neue Erkenntnisse über den mobilisierenden
handlungsleitenden mentalitäts- und milieuprägenden sowie typenbildenden Einfluss ihrer
lebens- kultur- und sozialreformerischen Ideen innerhalb der bürgerlichen Jugendbewegung
sowie über ihre darüber hinausgehende sozialkulturelle Prägekraft und Wirkungskontinuität in
den höchst unterschiedlichen politisch-kulturellen Zusammenhängen Deutschlands im 20.
Jahrhundert. Gerade im Hinblick auf die gesellschaftliche Öffnung der 1960er Jahre und mögliche
Transferlinien zu den Neuen Sozialen Bewegungen in den 1970er 80er Jahren scheint die von den
Freideutschen geprägte Subjekt- und Gemeinschaftskultur anschlussfähig für weitere Studien zu
sein die sich mit der Avantgarde- Gesellschafts- und Kulturgeschichte Deutschlands im 20.
Jahrhundert befassen und nach der Entwicklung gesellschaftlicher Handlungsfelder und
bürgerlicher Subjektivierungs- und Beteiligungsformen fragen.