Die Aenigmata Bernensia oder Berner Rätsel sind eine Sammlung lateinischer Versrätsel so
benannt nach der ältesten erhaltenen Handschrift Bern Burgerbibliothek Codex 611 aus der
ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts. Die Autorschaft und Herkunft der Berner Rätsel sind
unbekannt doch deutet vieles darauf hin dass zumindest der Kern der Sammlung um das Jahr 700
im westlichen Mittelmeerraum genauer im langobardischen Norditalien entstand. Jedes der
insgesamt 64 Rätselgedichte besteht aus sechs rhythmischen Hexametern und ist in der Regel
betitelt sodass wir die Lösung kennen. Behandelt werden Gegenstände aus dem
spätantik-frühmittelalterlichen Alltag allerlei Pflanzen und Tiere sowie kosmologische Themen
- vom Kochtopf bis zum Sternenhimmel - die mittels der gattungstypischen Stilmittel der
Metapher Personifikation und verhüllenden Beschreibung zu poetischen Miniaturen verdichtet
sind. Die Berner Aenigmata dienten einst als Übungstexte für den Lateinunterricht an der
Kathedral- oder Klosterschule und sind in über einem Dutzend mittelalterlicher Handschriften
überliefert. Trotzdem sind sie - anders als die lateinischen und volkssprachlichen
Rätselsammlungen aus dem angelsächsischen England - später in Vergessenheit geraten und haben
in der Forschung nur wenig Beachtung gefunden. Die vorliegende Ausgabe möchte die Berner Rätsel
neu ins Licht rücken und enthält neben dem vollständigen lateinisch-deutschen Text ausführliche
Erläuterungen zu allen 64 Rätseln insbesondere was die Sprache und Bildlichkeit sowie das
sach- und naturgeschichtliche Wissen betrifft das die Gedichte verrätseln. Die Einführung
liefert neue Antworten auf die schwierigen Fragen nach der Datierung und Herkunft der Sammlung
sowie nach ihrer Stellung innerhalb der Gattungstradition. In Anlehnung an das in den
Handschriften erkennbare Ordnungsprinzip sind die Rätsel hier in sieben thematische Gruppen
unterteilt sodass Verbindungen sichtbar werden und sich Einblicke eröffnen in sonst verborgene
Erfahrungswelten vormodernen Lebens und Denkens.