Im heutzutage weitgehend negativ konnotierten 'Homosexuellen-Urteil' des
Bundesverfassungsgerichts von 1957 lehnte es das Karlsruher Gericht ab die damaligen
massenhaften Bestrafungen von Männern wegen homosexueller Kontakte für verfassungswidrig zu
erklären. Ungeklärt war bislang wie sich dieses Urteil mit der heute erheblich positiver
beurteilten Grundrechtsjudikatur des Gerichts in den 1950er Jahren vereinbaren lässt. Nadine
Drönner analysiert umfassend und quellengestützt die zeittypischen Ursachen und Motivationen
des Urteils und seine Folgen für die Rechtsdogmatik. Das Urteil verstand sich dabei als
Entscheidung für den Augenblick und gab damit - entgegen gewichtigen Stimmen in den Rechts- und
Sozialwissenschaften - einem zukünftigen Wandel der Auffassungen zur Homosexualität eine
verfassungsrechtliche Grundlage. Damit ermöglicht die Autorin einen differenzierten Blick auf
das Urteil: Es hat die massenhaften Strafverfahren gegen homosexuelle Männer nicht beendet
aber mit seiner Begründung und interdisziplinären Argumentation die spätere Entkriminalisierung
mit vorbereitet.