Der Wissenschaftsverlag Walter de Gruyter hatte sich in der NS-Zeit zwar bemüht
wissenschaftliche Qualitätsstandards aufrechterhalten. Zugleich suchte der Verleger Herbert
Cram die Nähe des Regimes. Dessen ideologische und antisemitische Vorgaben akzeptierte er ohne
Widerspruch. Ihm war in den Jahren 1933 bis 1945 ausschließlich am wirtschaftlichen Erfolg des
Verlages gelegen. In ihrem zweiten Buch über die Geschichte des Walter de Gruyter Verlages
widmet sich Angelika Königseder nun den schwierigen Jahren nach 1945 die das Unternehmen im
Wesentlichen aufgrund seiner stillen Reserven - der Verlagsrechte - überdauerte. Zunächst hielt
die Verlagsleitung den Betrieb am Laufen indem die teilweise erhalten gebliebenen
Lagerbestände verkauft und anschließend unverändert nachgedruckt wurden. In den 1950er-Jahren
ging es zwar wirtschaftlich bergauf aber familiäre Auseinandersetzungen und wohl auch die
personelle Kontinuität in der Verlagsführung verhinderten einen tatsächlichen Aufbruch. Unter
Herbert Cram der den Verlag seit dem Tod Walter de Gruyters im Jahre 1923 leitete hielten
weder neue Wissenschaftsdisziplinen noch ein moderner Führungsstil oder der Aufbau neuer
Standorte Einzug bei De Gruyter. Die Aufgabe des Verlagssitzes in Berlin und eine Verlegung in
den Westen Deutschlands war für Herbert Cram auch zu Zeiten größter politischer Krisen wie der
Berlin-Blockade 1948 49 oder dem Mauerbau 1961 keine Option. Vor allem eine internationale
Ausrichtung wurde erst von den neuen Geschäftsführern Kurt-Georg Cram und Kurt Lubasch ab Mitte
der 1960er-Jahre eingeleitet. Mit dem Tod Herbert Crams 1967 endete eine Ära.