Von einem Richard Müller wissen zumeist nur noch Fachhistoriker daß er in der
Novemberrevolution von 1918 eine zentrale Rolle spielte: Richard Louis Müller (1880-1943) war
als Leiter der Revolutionären Obleute wesentlich an der Vorbereitung des 9. November beteiligt.
Im Deutschen Metallarbeiter-Verband seinerzeit der größten Gewerkschaft der Welt galt Richard
Müller als der Anführer des linken Flügels. Schon die großen Berliner Massenstreiks der Jahre
1916 bis 1918 hatte er illegal organisiert.In der Revolutionsregierung von 1918 war Müller
Vorsitzender des Vollzugsrates der Arbeiter- und Soldatenräte also der Kopf des ranghöchsten
Räteorgans. Formal war Richard Müller damit sogar das Staatsoberhaupt der Deutschen
Sozialistischen Republik - einer Republik die allerdings nur einige Monate unter diesem Titel
firmierte und heute als Weimarer Republik in den Geschichtsbüchern verzeichnet ist.Müllers
Einfluß in Berlin überstieg 1918 bei weitem den von Karl Liebknecht der über Müller scharf
fluchen konnte wenn er und die Spartakusgruppe sich wieder einmal in eine Nebenrolle verwiesen
sahen. Das Kräfteverhältnis zwischen den Revolutionären Obleuten und der Nach-Liebknecht-KPD
sollte sich freilich drehen. Unabhängiger Sozialismus und Rätesystem jene Prinzipien die
Richard Müller vertrat wurden zwischen den Mühlsteinen von Sozialdemokratie und
Marxismus-Leninismus zermahlen.Anders als Liebknecht geriet deshalb Müller obwohl er diesen
überlebte und die entscheidenden Gründerjahre der Weimarer Republik mitgestaltete in der
breiten Öffentlichkeit in Vergessenheit. Trotzdem beeinflusst Müller bis heute noch das Denken
der Historiker. Seine dreibändige Revolutionsgeschichte mit dem Obertitel Vom Kaiserreich zur
Republik in den Jahren 1924 und 1925 erschienen bildet die wichtigste zeitgenössische
Revolutionsdarstellung aus marxistischer Sicht. In den sechziger Jahren wurden diese Werke
wiederentdeckt. Müllers Schriften beeinflussten in Form unzähliger Raubdrucke zuerst das
Geschichtsbild der Studierendenbewegung bevor sie ab 1974 auch mehrere offizielle Neuauflagen
erlebten. Seine mitreißend geschriebene von zahlreichen Originalquellen gestützte Trilogie
fehlt auch heute in keiner Literaturliste zur Novemberrevolution und ist unentbehrliche Stütze
vieler aktueller Darstellungen dieser Zeit.Dennoch wusste man bisher kaum etwas über die
Herkunft und den Werdegang ihres Autors. Diese Lücke wird mit der vorliegenden Arbeit
geschlossen. Ralf Hoffrogge verfolgt Müllers Lebensweg von der Kindheit in der Thüringischen
Provinz über die politische Karriere in Berlin bis zum Rückzug ins Privatleben in den dreißiger
Jahren. Zahlreiche auch in der Forschung bisher unbekannte Details zu Müllers Leben fügen sich
hier erstmals zu einem Gesamtbild dieser historischen Persönlichkeit.