Für Wolfgang Abendroth war er der beste ökonomische Kopf über den die westdeutschen
Arbeiterinnen und Arbeiter in der Nachkriegszeit verfügten andere sahen in ihm den Leo Trotzki
der westdeutschen Gewerkschaftsbewegung oder verglichen ihn mit Rosa Luxemburg. Vor allem
jedoch war Viktor Agartz (1897-1964) einer der Gründerväter der Bundesrepublik und als
gewerkschaftlicher und sozialdemokratischer Vordenker der 1940er- und 1950er-Jahre der
wichtigste Programmatiker einer damals breit propagierten »neuen Wirtschaftsdemokratie«. 1955
wurde er gestürzt und aus der sozialdemokratischen Gewerkschaftsbewegung verdrängt. Als
heimatlos gewordener Linkssozialist mischte sich Agartz weiterhin ein und formulierte unter
anderem eine der wohl schärfsten Selbstkritiken wirtschaftsdemokratischer Mitbestimmungsideen.
Gerade aus dieser konzeptionellen Spannung heraus lässt sich auch für heutige Debatten über
Fragen der Demokratisierung der Wirtschaft noch einiges lernen. Christoph Jünke geb. 1964
lebt und arbeitet als Historiker und Publizist in Bochum. Demnächst erscheint von ihm eine
umfassende Biografie zu Viktor Agartz.