Winfried der Protagonist des autobiografischen Romans ist ein Grenzgänger. Als Kind pendelt
er zwischen Ost- und Westberlin zwi-schen den Großeltern im Westteil der Stadt und der
al-leinstehenden Mutter im Ostteil. Als Schüler schwänzt er nunmehr endgültig zum Ostber-liner
geworden häufig die Schule um im Stadtbezirk Kreuzberg eine oder hintereinander mehrere
jener »Ost-vorstellungen« zu besuchen die zu Zeiten offener Gren-zen vormittags in
Westberliner Kinos für 1 05 Mark der DDR liefen.Einige Jahre später beginnt er eine
hoffnungsvolle Karrie-re im Außenhandel der DDR. Diesbezügliche praktische Erfahrungen gewinnt
er nach Dienstschluss jenseits der Sektorengrenze - verkauft Küchenmaschinen an
fort-schrittsgläubige Westberliner Hausfrauen. Diesseits ist er Mitglied eines als
Volkstanzgruppe getarnten Rock n' Roll-Clubs und Jenseits euphorischer Besucher von
Rock-Konzerten.Das unbeschwerte Leben des Grenzgängers findet im August 1961 abrupt ein Ende.
Die Welt hinter der Mauer bleibt ihm für viele Jahre verschlossen. Diesen Verlust an Freiheit
versucht er durch einen Zugewinn an Bildung zu kompensieren: Halb gezogen halb geschoben
bringt er es auf dem zweiten Bildungsweg vom notorischen Schul-schwänzer bis zum
Hochschullehrer. Ein mehrmonatiger Studienaufenthalt in Leningrad wird für ihn zum
Schlüsselerlebnis: Seine Gefühle wechseln ständig zwischen Hass und Liebe. Hass erfüllt ihn
zu-nehmend angesichts der Verlogenheit der Politik in diesem Lande und der daraus
resultierenden entwürdigen-den Lebensverhältnisse der Menschen in seinem Umfeld. Eine
außergewöhnliche Liebe hilft ihm diesen vielleicht düstersten Abschnitt seines bisherigen
Lebens zu über-stehen.Bevor er in seinem Beruf als Hochschullehrer in Routine und
Bequemlichkeit erstarren kann wirft ihn erneut ein geschichtsträchtiges Ereignis aus der
Lebensbahn: die »Wende«. Hier enden sein erstes Leben und der erste Band der »Ostvorstellung«.
Bevor er in Unschuld sein zweites Leben beginnen kann muss er noch einmal zurückschauen um
vor sich Rechen-chaft abzulegen über die Gründe seiner Mitgliedschaft in der Staatspartei und
auch in den »Kampfgruppen der Ar-beiterklasse«. Das gelingt anscheinend. Schwerer fällt ihm die
Aufarbeitung seiner ambivalenten Rolle gleichermaßen als unschuldiges »Opfer« der
Staatssicherheit als auch deren allzu naivem »Helfer«. Geläutert begibt er sich in die »Freie
Marktwirtschaft« - und das gleich keck als Unternehmensberater. Erneut wird er zum Grenzgänger
wohnt weiter im Ostteil der Stadt residiert aber in einem feinen Büro am Kurfürstendamm. Zu
seinen ersten Mandanten gehören privatisierte ost-deutsche Unternehmen und zeitgleich deren
Privatisierer - die Treuhandanstalt. In den Folgejahren berät er namhafte Unternehmen aus den
alten Bundesländern und wird dort niemals »enttarnt«. Wer hätte wohl auch vermuten können dass
ein Ostdeutscher die Dreistigkeit besäße namhafte Unter-nehmen aus den alten Bundesländern
beraten zu wollen.Bedauerlich dass sich ausgerechnet jenes Beratungsunternehmen als
beratungsresistent erweist in dessen Auf-trag er tätig ist. Es geht in Insolvenz.