Noch dem alten Fontane erschien sein erzählerisches Debüt ein beachtenswertes Ereignis. 1839
hatte das Leib- und Magenblatt des jungen Mannes der "Berliner Figaro" die Novelle
"Geschwisterliebe" abgedruckt. An diese hochsentimentale Geschichte von Liebe Tod und
Verklärung schloß sich sechs Jahr später mit "Zwei Post-Stationen" eine burleske Szenenfolge
über das komische Mißverhältnis von Sein und Schein an. Die weiteren drei Geschichten steuerte
der wandlungsfähige Autor zu einem belletristischen Jahrbuch seiner Freunde bei. Überrascht
entdecken wir in "James Monmouth" und "Tuch und Locke" Motive deren meisterhafte Durchführung
den späten Romanen vorbehalten blieb. Den Kontrapunkt zur emotionalen Gespanntheit bildet die
"Goldene Hochzeit" das humoristisch eingefärbte Hohelied auf das bescheidene Glück zweier
alter Menschen - eine Philemon-und-Baucis-Geschichte in der die von den Göttern Bevorzugten
plattdeutsch sprechen. In seinem Kommentar weist Tobias Witt nach wie sich Fontane mit
Geschick und Einfallsreichtum den literarischen Strömungen und Vorbildern zwischen 1840 und
1860 anpaßte. Zum erstenmal bietet eine Werkausgabe alle frühen Erzählungen in einem
buchstaben- und zeichengetreuen Abdruck nach der Erstveröffentlichung bzw. der Handschrift.
Der Veröffentlichung seiner ersten Erzählung war für den Zwanzigjährigen so überwältigend wie
es sich für einen Debütanten gehört. Der nächste Prosatext "Zwei Post-Stationen" blieb im
Verlag liegen und erreichte erst 1991 das erstaunte Publikum. Die weiteren drei Geschichten
steuerte der nunmehr Mittdreißiger zu einem Jahrbuch bei das er selbst zusammen mit einem
literarisch versierten Freund herausgab. Sie zeigen ihn als wandlungsfähigen Autor der
Erzählsituationen durchspielt seine Figuren sprachlich profiliert und schon einen
humoristischen Ton anschlägt. Überrascht entdecken wir szenische Arrangements und Motive deren
meisterhafte Durchführung den großen Romanen des späten Fontane vorbehalten blieb. "Bald wird
ein Eisenbahn-Netz den gebildeten Theil Europa's umschlingen schon in diesem Augenblicke sind
der Segnungen unzählige welche die Menschheit der großartigsten Erfindung unsrer Tage verdankt
und dennoch lassen sich heisre Stimmen hören die diesen neuen Triumph des menschlichen Geistes
verwünschen und für die 'deutsche Postschnecke' in die Schranken treten." Theodor Fontane
"Zwei Post-Stationen" (um 1845) Herausgegeben von Tobias Witt