Peter-Michael Diestel nimmt Rückblick aber keine Rücksicht. Die Geschichten die seit fast
dreißig Jahren über die Herstellung der deutschen Einheit verbreitet werden sind falsch. Sagt
er. - Diestel muss es wissen: Er war dabei. Als Stellvertretender Ministerpräsident und
Innenminister in der Übergaberegierung. Sie wussten in Bonn über jeden einzelnen von uns
Bescheid ehe wir vereidigt wurden sie hatten die Akten. Jeder war erpressbar. Nur er nicht.
Schreibt er. Binnen vier Wochen kam darum der 1. Staatsvertrag zustande die Übernahme der DDR
erfolgte schon am 1. Juli 1990. Doch es sollte schön demokratisch aussehen. Außerdem wurde noch
ein Ostdeutscher für die Unterschrift unter dem 2+4-Vertrag gebraucht. Also musste sich die
DDR-Regierung bis zum 2. Oktober durchwurschteln schreibt Diestel. Obgleich für vier Jahre
gewählt war die Legislatur für Parlament und Regierung schon nach vier Monaten zu Ende.
Peter-Michael Diestel nimmt Rückblick aber keine Rücksicht. Zu seinem Handwerk gehört die
Provokation. Allein dieser Titel! Wie kann er in einem Land glücklich gewesen sein das er
nachweislich abschaffte? Und besteht denn die Einheit nicht bereits? Weshalb meint er noch für
sie kämpfen zu müssen? Diestel erinnert sich gleichermaßen kritisch wie selbstkritisch der
Vorgänge von 1989 90 und reflektiert die Folgen einer in seinen Augen gescheiterten Politik.
Der bekennende Geschichtsrevisionist widerspricht dem was inzwischen in den Geschichtsbüchern
steht. Und er gewährt zum Beweis erhellende Einblicke in den damaligen Politikbetrieb. Zum
Beispiel wie man ihn aufforderte den Regierungschef zu stürzen und wie er am Ende selbst
gestürzt werden sollte weil er sich nicht an die Leine legen ließ. Und wie er den Schwejk gab
um der Umarmung zu entkommen indem er Heimweh vorschützte um nicht nach Bonn zu müssen. So
rettete er sich eine Zukunft die er heute genießt. Das Buch war von ihm als ernüchternder
Beitrag zu den bevorstehenden Jubiläen geplant. Aber eigentlich liefert es eine originelle
Antwort auf die Frage: Warum sind die Ossis so anders als der Rest der Welt? Hat es vielleicht
doch etwas mit ihrer Vergangenheit zu tun? Mit der tatsächlichen und wahren und nicht der
erfundenen von der täglich zu lesen zu hören und zu sehen ist wie sie gewesen sein soll.
Diestel war und ist immer für eine Überraschung gut und unterhaltsam obendrein ...