Der Totenkronenbrauch gehört zu einer einst weit verbreiteten Sitte für jung und ledig
Verstorbene beiderlei Geschlechts denen durch den frühen Tod das Sakrament der Vermählung
verwehrt blieb. Optisch symbolisieren dabei für uns die Braut- zugleich Toten-Kronen und
-Sträuße deren stellvertretende 'Himmelshochzeit'. Im Norden Sachsen-Anhalts wurde diese
Erinnerungskultur 500 Jahre lang bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts ausgeübt. Die Sachzeugen
des Totenkronenbrauchs waren seinerzeit elterlicher Trost bei den vielen Sterbefällen der
Kinder und jungen Menschen aber zugleich auch Statussymbole ihrer Familien. Seit dem Ende des
19. Jahrhunderts verschwanden die meisten Objekte aus den Kirchen wodurch der Brauch nahezu
vollständig in Vergessenheit geriet.Dieser Ergänzungsband folgt der 2021 unter dem Titel Diese
Krone weihten tief betrübte Eltern erschienenen Veröffentlichung. Als neue Quellen konnten u.
a. historische Innenaufnahmen von Kirchen erschlossen werden. Hinzu kommen neuzeitliche
Grabdenkmäler mit Symbolik des Totenkronenbrauchs und eine Diskussion zu Totenkronen im
archäologischen Kontext. Ohne eine Kompletterfassung erreicht zu haben bezeugen derzeit
nunmehr mindestens 109 Ortschaften der Region und insgesamt mehr als 318 Einzelnachweise die
einstige Ausübung dieses Brauchs. Aussagen zu Genealogie und Medizin erlauben abermals die
sozialen familiären Verhältnisse der Verstorben zu erhellen und die Todesumstände zu
beschreiben. Gerade die Einblicke in die Lebensumstände und in das private Umfeld der
Landbevölkerung ermöglichen zur Sozial- und Kulturgeschichte des nördlichen Sachsen-Anhalts
beizutragen. Zudem berechtigt die große Zahl der so jung verstorbenen Menschen ein Gedenken an
jene familiären Schicksale und die Bewahrung ihrer Erinnerungsmale für zukünftige Generationen.