Wie kann sich eine Diktatur mit dem Erbe von Unrecht und Staatsverbrechen auseinandersetzen
die unter ihrer Herrschaft begangen wurden? Mit dieser Frage sah sich die Kommunistische Partei
Chinas nach dem Tod Mao Zedongs im Jahr 1976 konfrontiert. Gestützt auf eine Vielzahl bislang
unbekannter Dokumente entwirft der Freiburger Sinologe Daniel Leese ein breit angelegtes
Panorama der chinesischen Politik und Gesellschaft in der kritischen Umbruchphase zwischen 1976
und 1987. Die Massenkampagnen des «Großen Vorsitzenden» Mao Zedong hatten horrende Opferzahlen
gefordert und die Volksrepublik China an den Rand eines Bürgerkriegs geführt. Unter seinen
Nachfolgern begann die Kommunistische Partei ein großangelegtes Experiment historischer
Krisenbewältigung. Millionen politisch Verfolgte wurden rehabilitiert Entschädigungszahlungen
geleistet und Täter vor Gericht gestellt allen voran die «Viererbande» um Maos Frau Jiang
Qing. Das Ziel bestand darin einen Schlussstrich unter die Geschichte zu ziehen und alle
Energien auf die wirtschaftliche Reformpolitik zu lenken. Aber die Schatten der Vergangenheit
ließen sich nicht so einfach bannen. Gestützt auf eine Vielzahl bislang unbekannter Quellen -
von vormals geheimen Reden der Parteiführung bis zu Petitionsschreiben einfacher Bürger -
zeichnet Daniel Leese ein hochdifferenziertes Bild der Dekade nach Mao Zedongs Tod. Die
Auswirkungen dieses Ringens um historische Gerechtigkeit sind in der chinesischen Politik und
Gesellschaft bis heute spürbar.