Seit Mitte des 19. Jahrhunderts bestand in der Ägyptologie und ihren Nachbardisziplinen die
Meinung dass die ägyptische Religion die Verehrung von Reliquien gekannt habe. Diese Meinung
stützte sich hauptsächlich auf eine Plutarch-Stelle und auf eine Anzahl von ägyptischen Texten
die über das Schicksal des Osiris über seinen Tod die Zergliederung seines Körpers mit der
anschließenden Verstreuung der Gliedmaßen über ganz Ägypten und über das Wiederzusammensuchen
dieser Körperteile durch die Göttin Isis berichten.Horst Beinlichs Arbeit erstmals
veröffentlicht im Jahr 1984 stellt die Lehrmeinung von der Reliquienverehrung aus
grundsätzlichen Erwägungen infrage. Auf der Basis von damals neuen Textabschriften werden die
Texte neu untersucht und interpretiert. Es zeigt sich dass es in Ägypten keine
Reliquienverehrung gegeben hat und dass die Vorstellung vom zergliederten Osiris einerseits zu
den Topoi menschlichen Sterbens andererseits in ein Bild von Ägypten als Staats-Organismus
gehört.