Die Arengen mittelalterlicher Diplome stellen eine wichtige Quelle für die Art und Zielsetzung
herrscherlichen Handelns und das damit einhergehende Selbstverständnis dar. Die vorliegende
Studie bietet eine eingehende philologisch-historische Analyse und Interpretation der Arengen
in den Urkunden Kaiser Ludwigs des Frommen. Die systematische Untersuchung des gesamten
Arengencorpus nach thematischen Gesichtspunkten stellt diese aussagekräftigen
Urkundenbestandteile in einen größeren Zusammenhang und bietet auch Einblicke in die
Arbeitsweise der Kanzlei. So zeigt sich dass die Urkundenschreiber nicht an starren Mustern
festhielten sondern flexibel aus einem gemeinsamen Formelfundus schöpften. Dabei wird ein
kreativer Umgang mit der Tradition erkennbar: Im Vergleich mit den Arengen der Vorgänger zeigen
sich zahlreiche Neuerungen die in vielen Fällen auch vorbildlich für nachfolgende
Herrscherurkunden waren. In sprachlicher Hinsicht manifestiert sich ein Qualitätssprung der
von einem souveränen Umgang der Notare mit neu entwickelten Standards als konkret greifbare
Auswirkung der sog. Karolingischen Renaissance zeugt. Die inhaltliche Analyse lässt die
Komposition der Arengen aus Einzelmotiven nach dem Baukastenprinzip erkennen. Dabei ist eine
bewusste Zäsur und inhaltliche Akzentverschiebung gegenüber den Vorgängern im Sinne einer
Spiritualisierung der Arengenmotive greifbar die sich zudem in den zeitgenössischen
Reformdiskurs einbetten lässt. So spiegeln die Arengen eine für Ludwig und seinen Umkreis
spezifische Herrschaftskonzeption wider die von Verantwortungsbewusstsein für die Kirche und
den Gottesdienst geprägt und zunehmend an jenseitigen Zielen orientiert war.