Eduard Mörike (1804-1875) gilt in der Literaturwissenschaft als ungewöhnlich schwer
zugänglicher Dichter. Nach jahrzehntelanger Arbeit an der Historisch-Kritischen Gesamtausgabe
wollte Ulrich Hötzer die Ergebnisse seines dialogischen Umgangs mit Mörike veröffentlichen.
Dieser Band posthum herausgegeben folgt dem Editionsplan des Verfassers: Mörikes Formkunst -
Einzelinterpretationen - Mörikes Hellenismus. Den drei großen Kapiteln sind Aufsätze
unveröffentlichte Vorträge Interpretationen und Aufzeichnungen zugeordnet. In dem weiten
Spannungsbogen von antiker bis zu moderner Dichtung wird der Versuch unternommen Mörike als
Nachfahre des Horaz und Gefährte von Baudelaire zu fassen - beide Pole gleichsam unerforscht in
der Mörike-Forschung. Mörikes Rückbindung an die Tradition der antiken Dichtung äußert sich im
Anknüpfen an bestimmte antike Autoren in Motiv Struktur Gattung (Epigramm Epistel Satire)
und Form (Distichon Senar paraphrasierte Hexameter Sapphische Ode). Somit steht Mörike in
einer von Wieland in die deutsche Literatur eingeführten Tradition die in Mörikes Formkunst
ihren Höhepunkt erreicht. Die hohe Formkunst des poeta doctus herauszustellen die von Wieland
eingeklagte 'Leichtigkeit' in der Aneignung und Handhabung der griechisch-abendländischen Vers-
und Strophenformen war das Anliegen Hötzers. An den feinsinnigen Einzelinterpretationen wird
dies deutlich dann besonders im dritten Kapitel Mörikes Hellenismus. Die genaue Textanalyse
macht das Verfahren der imitatio als einer Maske deutlich in deren Fremdheit sich das Eigene
und Eigentliche der Welterfahrung des Dichters spiegelt. Sie zeigt aber auch die zentrale
Bedeutung die der Erinnerung als Grundelement im dichterischen Prozeß zukommt zeigt die
Antizipation moderner Welterfahrung die das Mörikesche Werk der literarischen Moderne
annähert.