Ausgehend von der Erkenntnis daß die herkömmliche Purismus-Debatte den Begriff der
Sprachreinheit einseitig unter dem Primat der sogenannten Fremdwortfrage verstanden hat
entwickelt der Autor in dieser Studie ein komplexeres Bild der Wort- Bedeutungs- und
Wirkungsgeschichte des Begriffs Reinheit im deutschen Sprachraum von Luther bis Adelung um von
dieser Grundlage aus auch den engeren Begriff der Sprachreinheit neu einzugrenzen. Dies gelingt
vor allem dadurch daß der diskutierte Begriff zuerst als Problem der Rhetorik - nämlich in der
differenzierten Tradition der rhetorischen puritas - gesehen wird auf der Einsicht in den
gleichermaßen ästhetischen wie pragmatischen Charakter der Rhetorik basiert der
interdisziplinäre Forschungsansatz mit dem der Autor seinen Gegenstand erschließt. Das
zentrale Anliegen dieser Studie ist es die Wirksamkeit der Kategorie puritas nicht auf die
Sprache beschränkt zu sehen sondern ihr in weiteren relevanten Feldern der sich im
Untersuchungszeitraum konstituierenden bürgerlichen Gesellschaft nachzugehen: im sowohl
lebenspraktisch wie wissenschaftstheoretisch dominanten Bereich der Theologie und Religiosität
- hier insbesondere bei Luther und im Pietismus im Bereich der Poetik sowie der
Sprachgeschichte und -philosophie im Bereich der politischen und nationalen Identitätsbildung
und nicht zuletzt im Bereich der Körperpflege und der Schamnormen. Anhand umfangreicher
Analysen der originären Quellenschriften kann der Autor dem problematischen Begriff sein
ideologisches mentalitätsgeschichtliches Umfeld zurückgewinnen das allein zu erklären vermag
weshalb Reinheit der Sprache bis heute ein höchst problematischer zwischen Restriktion und
Innovation oszillierender Begriff geblieben ist. - Ein Anhang stellt die aus Luthers Schriften
gewonnenen Belegstellen zum Thema Reinheit im Originalwortlaut (teilweise mit Übersetzungen aus
dem Lateinischen) zur Verfügung.