Die Gestaltung polyzentrischer Welten und die Parallelführung mehrerer Handlungsstränge war zu
allen Zeiten eine besondere Herausforderung narrativer Weltkonstruktion. In den großen
Rittererzählungen des Mittelalters und der Frühen Neuzeit wurde hierfür eine charakteristische
Form gefunden die von der neueren Forschung mit der textilen Metapher des 'entrelacement'
belegt wurde. Erzählen im Modus des entrelacement zeichnet sich nicht zuletzt durch
prägnante Autoreflexivität aus die in ihren elaborierteren und oft metaleptischen Formen
durchaus modern anmuten kann. Dieser Band gibt in seiner Einleitung zunächst einen Überblick
über die Geschichte dieser Erzählweise geht anschließend der Frage nach ihrer möglichen
Vorgeschichte in der antiken Literatur nach und wirft dann Streiflichter auf die Verwendung des
entrelacement in der mittelhochdeutschen der altnordischen und der italienischen Ritterepik.
Der abschließende Beitrag fragt nach epistemologischen Konnotationen der digressiven
Erzählweise und erkennt in ihr eine spezifische Weise narrativer Kontingenz- oder
Pluralitätsbewältigung.