Meist ohne darüber nachzudenken unterscheiden Menschen ständig: ob warm ob kalt ob sie einen
andern riechen können ob ihnen etwas paßt oder nicht. Die Unterschiede machen die Empfindungen
von ganz allein werden aber aus Erfahrungen gespeist die in der Millionen Jahre alten
Evolution des Menschen begründet sind. Das unaufhörlich tätige Unterscheidungsvermögen das
persönliche und gesellschaftliche Verhältnisse unter der Hand bestimmt bezeichnet Alexander
Kluge als seine Domäne. Er hält ein Plädoyer für die massenhafte Produktion von
Unterscheidungsvermögen. In seiner Eröffnungsbilanz des 21. Jahrhunderts der Chronik der
Gefühle hat er mit der Inventur im Gefühlshaushalt begonnen. In diesem Buch nun erzählt er
woher sein Argwohn gegenüber dem Faktischen rührt was ihn antreibt Gefühle und Empfindungen
aufzuspüren und als zerstörerische Geheimagenten zu enttarnen. Die Indizien sucht er in der
Geschichte in Geschichten in Anekdoten in den Wissenschaften. Detektivisch dem
Unwahrscheinlichen auf der Spur verwandelt er Fakten in Erzählung. Er rüstet die Übermacht des
Faktischen ab und besteht auf der zivilisierenden Wirkung mündlicher Erzählung. So belebt er
eine alte Kunst die unterzugehen droht und die er auf besondere Weise beherrscht: die Kunst
des Erzählens.