Hermann Broch zählt zu den großen Romanschriftstellern der europäischen Moderne. Seinen
Dichtungen - etwa der Schlafwandler-Trilogie und dem Roman Der Tod des Vergil - liegen
kulturkritische Gedanken zugrunde die er in einer Reihe von Essays ausgearbeitet hat. Broch
wußte daß die Krisen und Konflikte seiner Gegenwart und der Zukunft letztlich kultureller
Natur sind und daß sie nicht durchgestanden oder beigelegt werden können wenn die
zivilisatorischen Grundlagen und Entwicklungen unreflektiert bleiben. Brochs gesamte
dichterisch-denkerische Arbeit kreist um das Thema des europäischen Wertezerfalls bzw. dessen
Überwindung. Diese Essay-Sammlung enthält die wirkungsmächtigsten theoretischen Arbeiten des
Autors. Was ist Kultur überhaupt und wie können kulturelle Prozesse beschrieben und analysiert
werden? Wie ist Kunst von Kitsch zu unterscheiden? In welcher Spannung stehen Mythos und
Dichtung zueinander? Welche Bedeutung kommt den Menschenrechten nach Auschwitz zu? Kultur ist
für Broch symbolische Form der Todesüberwindung. Zivilisatorische Entwicklungen mit ihren
Konstanten und Brüchen lassen sich nach Broch nur interdisziplinär beschreiben. Der Kitsch ist
für ihn in erster Linie eine Sache ethischer Beurteilung und nicht lediglich ein ästhetisches
Phänomen. Für Broch ist der Mythos das Telos der Dichtung. Unter den Romanciers seiner
Gegenwart habe sich Kafka diesem Ziel am ehesten genähert. Brochs Essays zeigen was
interdisziplinäres Arbeiten im Gebiet der Kulturgeschichtsschreibung leisten kann. Sein Begriff
der »fröhlichen Apokalypse« ist in die Sprache der internationalen Kulturkritik eingegangen.
Die Analyse der Kultur des Modernisten Hermann Broch fällt ähnlich aus wie die in der
Postmoderne: Segmentierung und Ausdifferenzierung werden betont. Aber anders als in der
Postmoderne leistet Broch noch Trauerarbeit über den Zerfall der ehemals einheitlichen
europäischen Kultur. Ein ausführliches Nachwort des Herausgebers kommentiert die
kulturkritischen Thesen des Autors - ist dem Denksystem Broch auf der Spur.