»Ich glaube« sagt Peter Bichsel »der Sinn der Literatur liegt nicht darin daß Inhalte
vermittelt werden sondern darin daß das Erzählen aufrechterhalten wird. Weil die Menschen
Geschichten brauchen um überleben zu können. Sie brauchen Modelle mit denen sie sich ihr
eigenes Leben erzählen können. Nur das Leben das man sich selbst erzählen kann ist ein
sinnvolles Leben.« Und: »Ich möchte der Geschichte die Geschichten entgegensetzen.« Die Welt
des Peter Bichsel - und damit auch die Welt seiner Geschichten in Zur Stadt Paris - ist nie
gegeben d.h. definiert und eindeutig sondern immer offen und einladend für jeden der
Phantasie des Autors und dazu der eigenen zu folgen um in der Vielfalt des Lebens nach Liebe
Hoffnung und Geborgenheit zu suchen. Peter Bichsel deutet bei alledem was ihm wie zufällig zu
jeder Tag- und Nachtzeit begegnet auf Welten in denen es nichts gibt was dem Menschen fremd
wäre. Und so ersinnt erfindet und erzählt er von Biographien die unwahrscheinlich und wahr
zugleich sind: Also treffen wir in Bichsels Zur Stadt Paris den Triefäugigen mit dem goldenen
Händchen ebenso wie Albert Weisshaupt der eine fatale Neigung zum Weinen hat oder Erwin den
die Stammtischbrüder für einen Hochstapler halten wie auch den alten Geiger Zingg oder die
noch junge Frau die mit drei Kindern ihrem Mann und ohne Blinddarm »im ganzen überhaupt nicht
unglücklich« in der Nähe von Rom lebt. Dabei haben Bichsels Personen eine Eigenschaft für die
man sie sofort mag: Sie strahlen Wärme aus weil sie alle von ihrem Autor geliebt werden -
seien es Fabrikanten Fußballer oder einfach nur arme Tröpfe Betrunkene ganz Nüchterne
Dummköpfe oder Schlauberger Kinder ältliche Witwen oder Eskimos in New York. Mit Zur Stadt
Paris ist Peter Bichsel ein Geschichtenbuch gelungen das uns Lesern - mal in kurzen Zügen
dann wieder mit längerem Atem - davon erzählt daß es gerade das Kleine das Minimale das
unscheinbar vor Augen liegende ist das uns beobachtet man es genau oder läßt es einfach
sprechen alles über uns verrät. »Der Lebenslängliche befragt wie er das aushalte oder mache
all diese Jahre im Gefängnis antwortet: Weißt du ich sage mir immer diese Zeit die ich hier
verbringe müßte ich draußen auch verbringen.«