Brüdi - so wurde Martin der jüngste Sohn Hermann Hesses von der Familie genannt. Als Hermann
Hesse im April 1919 seine Familie verließ um im Tessin auf der Südseite der Alpen ein
ungebundenes Leben zu führen kamen seine drei Söhne zu Pflegefamilien oder ins Heim. Ein
Schock vor allem für Martin gerade sieben Jahre alt. Wie Hesses erste Ehefrau Mia die wegen
einer manisch-depressiven Erkrankung immer wieder in Heilanstalten war litt Martin unter
dieser psychischen Erkrankung die letztlich wohl auch zu seinem Freitod 1968 führte. Der 1919
beginnende und sich bis zu Hermann Hesses Tod 1962 fortsetzende Briefwechsel ist das
eindrucksvolle Dokument einer Annäherung von Vater und Sohn der Versuch verlorenes Vertrauen
mittels Briefgespräch neu herzustellen. Hier findet Hermann Hesse nach und nach zu seiner
anfangs verweigerten Vaterrolle. Immer offener sprechen Vater und Sohn von ihren unerfüllten
Hoffnungen und wachsenden Lebenszweifeln. Martin der künstlerisch begabteste und zugleich
labilste der Söhne der Fotograf wird gesteht: »Ich bin viel in der Dunkelkammer mehr als mir
lieb ist.« Martins Fotos des Vaters über Jahrzehnte entstanden und zu Ikonen geworden
bezeugen wiedergefundene Nähe. Der Briefwechsel ist nicht nur in biografischer Hinsicht ein
Ereignis. Denn im Gespräch beider entsteht zugleich eine Alltagsgeschichte der Schweiz von 1919
bis 1962.