Der Versuch einer Gesamtdarstellung des theologischen Werkes Calvins ist seit der ersten Hälfte
des 20. Jahrhunderts nicht mehr unternommen worden. Das Jubeljahr 2009 hat eine Fülle
ausgezeichneter Einzel- studien und Sammelwerke besonders auf dem Gebiet der biographischen und
historischen zum Teil auch der systematischen Forschung hervorgebracht. Doch die Interessen
der älteren Forschung ließen sich damit nicht befriedigen. Damals fragte man: Gibt es eine
Mitte eine Art Gravitationszentrum seiner Theologie vergleichbar der Rechtfertigungslehre im
Luthertum um das sich die Themen und Perspektiven seiner Theologie gruppieren ließen? Von der
Abendmahlslehre lässt sich das nicht sagen. Auch die Suche nach einem Central-dogma (Alexander
Schweizer) einer Art Materialprinzip hat sich als ein Irrweg erwiesen. Der Schluss liegt nahe
dass schon die Frage nach einem solchen einheitstiftenden Prinzip oder Schlüssel falsch
gestellt sein könnte sich jedenfalls nicht mit der Angabe eines inhaltlichen Elementes oder
Problems seiner Theologie beantworten lässt. An dieser Erwartung jedenfalls sollte man Calvin
nicht länger messen. Auf sehr viel sichererem Boden steht man wenn man sich auch systematisch
fragend an die von ihm selbst aus seinen exegetischen Arbeiten hervorgegangenen
Gliederungsgesichtspunkte der Institutio hält. Da ist zweimal pointiert von der Erkenntnis
Gottes (aus der Natur und aus der Schrift) die Rede sodann von der subjektiven Aneignung
dieser Erkenntnisse im christlichen Leben und schließlich gleichsam als Konvergenzpunkt des
Ganzen von der schriftgemäßen Verfassung der Kirche die der Ort der Bewährung jener
Erkenntnisse sein sollte. Von diesem Zielpunkt aus und auf ihn bezogen steht das
Erkenntnisproblem - konkret:die möglichst genaue Textinterpretation - im Zentrum der
vorliegenden Arbeit. Dabei meint Erkenntnis nicht das theoretische Verhalten des modernen
Zuschauers sondern setzt dessen Einbezogensein sein Mitspielen also seine verantwortliche
Teilnahme an der Schöpfung an dem Prozess der Versöhnung und am Weg der Kirche voraus. Denn
die biblische Voraussetzung dass er der Mensch es in jeder Lebenslage mit dem lebendigen
Gott zu tun hat und von ihm auf den Weg gesetzt wird ist der eigentliche Lebensnerv des
calvinischen Unter- richts.