Betrifft die Erbsünde den Wesenskern die Substanz des Menschen und vernichtet seine
Gottesebenbildlichkeit oder bleibt sie letztlich doch etwas Äußerliches ein Akzidens das dem
Menschen die Fähigkeit belässt an seiner eigenen Rechtfertigung mitzuwirken? - Diese Frage
steht im Zentrum des sogenannten Erbsündenstreits der sich in der Folge der Weimarer
Disputation von 1560 zwischen Matthias Flacius Illyricus und Victorin Strigel entspann. Mit der
Veröffentlichung des Erbsündentraktats von Flacius im Rahmen seines Lehrbuchs Clavis scripturae
1567 weitete sich die Diskussion zu einem heftigen Streit unter einst gleichgesinnten
lutherischen Theologen aus der zahlreiche Flugschriften hervorbrachte bis in die Gemeinden
hinein ausstrahlte und teilweise handgreiflich ausgetragen wurde. Auch die Konkordienformel von
1577 konnte den Streit nicht gänzlich beilegen insbesondere in Österreich bestanden Gemeinden
fort die an der radikalen Erbsündenlehre des Flacius noch länger festhielten.