Seit Jahrhunderten haben europäische Autoren die Geschichtsschreibung zum kolonialzeitlichen
Lateinamerika dominiert. Doch gab es bereits seit dem 16. Jahrhundert eine wichtige
alphabetische Geschichtsschreibung von Indigenen besonders umfangreich im heutigen
Zentralmexiko. Sie wird bei Richard Herzog anhand zweier bedeutender Historiker der Nahua (auch
als "Azteken" bekannt) detailgenau nachverfolgt: Fernando de Alva Ixtlilxochitl (ca. 1578-1650)
und Domingo de Chimalpahin (1579 - ca. 1660). Ein seltener deutschsprachiger Überblick über
die facettenreiche Nahua-Geschichtsschreibung Beide Nahua-Autoren wurden bislang kaum
eingehend in vergleichender Perspektive untersucht Mit dem Preis der Zeitschrift für
Weltgeschichte 2022 ausgezeichnet Bietet Einblicke in Kontinuitäten indigener Kultur vor und
nach der spanischen Invasion Verbindet Ansätze aus Globalgeschichte dekolonialen Studien
Literaturwissenschaften Kunstgeschichte und Anthropologie für ein umfassenderes Bild
Einheimische Gelehrte reflektierten die massiven Umbrüche infolge der spanischen
Kolonialherrschaft: darunter die Ablösung prähispanischer Herrschaftsverhältnisse die
aufgezwungene Christianisierung und die dramatische Dezimierung der indigenen Bevölkerung.
Gleichzeitig ging es ihnen darum die ungemein reiche Kultur Geschichte und Kosmologie ihrer
Vorfahren vor der Auslöschung zu bewahren. Das Buch kehrt den bekannten Blick von Europäern
auf die Amerikas um mit einem Fokus auf die dezidiert globale Perspektive einzelner indigener
Akteure. Für sie bildete Europa einen zentralen Bezugspunkt zugleich waren sie bestens über
Ereignisse in anderen Weltteilen informiert. Diese Nahua-Gelehrten schrieben ihre Heimatregion
Mesoamerika in die Weltgeschichte ein um sie so auf eine Ebene mit Europa zu stellen. Somit
eröffnen ihre Schriften prägnante und bis heute erhellende Gegenentwürfe zu eurozentristischen
Weltsichten.