Diese Studie betrachtet die Produktion sowie Rezeption von Musik die in mittelalterlicher Zeit
eng miteinander verflochten waren. Der Minnesänger warb als «live-Medium» mit seinem «süezen
sanc» im Klangraum um die Aufmerksamkeit seiner Zuhörer und bediente sich vielfältiger
rhetorischer Strategien um die Sinne seiner Rezipienten einzubinden. Der Fiktionalitätsvertrag
musste mit dem Hörer noch während der Aufführung ausgehandelt werden. Da sich dieser
intermediäre Möglichkeitsraum niemals eindeutig dem Fiktionalen oder Realen zuweisen lässt
stellt dieses Buch die Frage inwiefern Virtualität den notwendigen Schlüssel für die
Interpretation vormoderner Poesie darstellen könnte. Denn diese bewegt sich als performative
Kunst offensichtlich nicht innerhalb der strikten Grenzziehung autonomer Fiktionen.