Der große Vorzug des Goldhornschen Skripts liegt in seiner kompromißlosen Konzentration aufs
Wesentliche. Im einzelnen: Die Auswahl des Stoffes deckt ein breites Spektrum mathematischer
Konzepte und Methoden ab die für die heutige Physik relevant sind. Im Gegenzug wird das bei
vielen Dozenten und Buchautoren so beliebte Herumreiten auf angeblich erhellenden Einzelheiten
überall dort vermieden wo sie sich in der Praxis als nicht wirklich erhellend erwiesen haben.
Gerade in dieser Hinsicht wurde das Skript im Laufe einer langjährigen Lehrerfahrung immer
weiter optimiert. Die umfangreiche Sammlung von Übungsaufgaben liefert natürlich etliche
Details nach die in der Vorlesung vermißt werden könnten. Die Anordnung des Materials folgt
nicht so sehr einer mathematischen Systematik als vielmehr den kurrikularen Bedürfnissen des
Physikstudiums. Das wirkt zwar oft etwas unkonventionell vermeidet aber den verbreiteten
Mißstand daß wichtige mathematische Begriffe und Methoden von den Dozenten der Physik ad hoc
eingeführt werden müssen weil das betreffende Material im mathematischen Grundkurs erst viel
später an der Reihe ist. Dabei werden auch Vorwärtszitate in Kauf genommen und diese werden
didaktisch nutzbringend eingesetzt indem abstraktere und für die Studierenden schwer
motivierbare theoretische Überlegungen zurückgestellt werden bis sie schließlich als Lösung
eines schon durch mehrfache Erfahrung vertrauten Problems in Erscheinung treten. D ie
Präsentation und sprachliche Ausgestaltung folgt dem Prinzip daß gute Didaktik nicht darin
besteht möglichst viele Worte zu machen sondern durch wenige gut gewählte Worte erreicht wird
unterstützt durch geeignete Illustrationen und ein breites Angebot von sinnvollen
Übungsaufgaben. Die meisten Behauptungen werden auch bewiesen oder hergeleitet doch handelt es
sich nur im Ausnahmefall um die detaillierte Ausführung eines mathematisch rigorosen Beweises.
Zumeist ist es eine recht knappe Darstellung des prinzipiellen Gedankengangs manchmal
unterstützt durch Veranschaulichungen oder physikalische Motivationen. Die Beweisteile die am
ausführlichsten dargestellt sind sind Rechengänge wie sie auch für die Praxis des Physikers
typisch sind. Manchmal wird ein leichter Spezialfall bewiesen und die dringend benötigte
allgemeinere Version schlicht berichtet. Hier und da werden exemplarisch auch mathematische
Beweise in aller Strenge und Ausführlichkeit dargeboten um die Studierenden mit der
mathematischen Denk- und Ausdrucksweise zu konfrontieren und ihre Kritikfähigkeit bezüglich
mathematischer Vertrauenswürdigkeit einer Argumentation zu schulen. Dies scheint mir in der Tat
- zumindest für die begabteren Studierenden - ein wichtiger Aspekt zu sein angesichts einer
schier unübersehbaren Flut von Fachliteratur bei der junge Wissenschaftler es oft als eine
Herausforderung empfinden zwischen vertrauenswürdigen und weniger vertrauenswürdigen Beiträgen
zu unterscheiden. Am anderen Ende des Spektrums finden sich ab und zu auch knappe
Ergebnisberichte über tiefliegende Resultate die den Rahmen der Vorlesung sprengen würden. Die
Aufgabensammlung enthält etwa zu 70 - 80 % Aufgaben bei denen das Schwergewicht auf dem
Einüben von Rechentechniken liegt. Theoretische Aufgaben die helfen Begriffe zu klären
Beweisschritte nachzutragen logisches Argumentieren zu üben oder Ausblicke auf zusätzlichen
Stoff zu geben sind durchaus vertreten aber nur zu 20 - 30 %. Zu dem Skript gehört ein
sorgfältig gestaltetes Glossar (Kurzfassung) das alle formalen Definitionen und Sätze enthält
und als Nachschlagewerk zur Klausur- und Prüfungsvorbereitung an die Studierenden verkauft
wurde. Die Beweise und Beweisskizzen des Skripts enthalten häufig Argumentationen die
eigentlich mathematisch nicht haltbar sind. In vielen Fällen ist es möglich sie durch korrekte
Beweisschritte zu ersetzen ohne den Text aufzublähen und dies möchte ich selbstverständlich
tun. Wo dies nicht möglich ist möchte ich deutlich erklären daß hier eine Beweislücke in Kauf
genommen wird. Im Sinne der begrifflichen Klarheit und der Schulung der mathematischen
Kritikfähigkeit erscheint es mir nämlich dringend geboten dem Leser stets reinen Wein darüber
einzuschenken ob er es hier mit einem strengen Beweis einer Beweisskizze oder einer bloßen
Plausibilitätserklärung zu tun hat. Was als Beweis bezeichnet wird kann ein knapp skizzierter
Beweis sein aber es darf kein fehlerhafter Beweis sein. An manchen Stellen lassen sich Beweise
noch verkürzen oder vereinfachen manchmal unter Heranziehung neuerer Methoden im elementaren
Kontext. Ich möchte der Sprachbarriere zwischen Mathematik und Physik entgegenwirken indem ich
überall dort wo für ein und dieselbe Sache unterschiedliche Konventionen oder Terminologien
benutzt werden explizit auf diesen Umstand hinweise und die beiden Terminologien
gleichberechtigt nebeneinander stelle.