Das Nichts war zeitlebens im Rücken der Mutter war allumfassend und doch nie greifbar. Nach
dem Tod der Mutter fragt die Tochter sich ob sie nun endlich sehen kann was die Mutter hinter
sich verborgen und worüber sie geschwiegen hat. Ihr bleiben nur wenige Erzählungen geflüsterte
Erinnerungen ein paar Fotos und Zeitungsausschnitte. Die Mutter hat eine Kindheit voller Härte
und Kälte auf einem fremden Hof in einem Südtiroler Seitental verbracht. Sie habe Gedichte in
den Schnee geschrien und gegen den Frost angesungen - das hat die Mutter immer erzählt. Dass
sie es gut hatte unter den fremden Menschen ließ sie die Tochter glauben. Doch die glaubt es
nicht mehr. Wie kann sie die Geschichte der Mutter erzählen wo beginnen was darf sie
verknüpfen? Denn erzählen muss sie endlich bevor diese Tür sich für immer schließt. Ich stemme
einen Fuß dazwischen klemme ihn zwischen Mutters sich auflösende Geschichte und mich. Wer also
war sie? Die Erzählerin nähert sich Schritt für Schritt dem Leben der Mutter an stets
hinterfragend ob es so gewesen sein könnte oder ob sie mittels ihrer Sprache eine bereits
vorgeformte Wirklichkeit schafft die sich mit der Wahrheit der Mutter nicht deckt.
Mutternichts ist ein kraftvoll-poetisches Debüt. Christine Vescoli nimmt darin etwas so
Altmodisches wie Gegenwärtiges neu in den Blick: die Liebesbeziehung zwischen Mutter und
Tochter.