"Beinah täglich scheint es verschieben sich Grenzen. Grenzen des Sagbaren Grenzen des
Machbaren. Beinah täglich bauen wir menschlich ab senken wir unsere ethischen Standards
gewöhnen wir uns an neues Leid. Heute ist der 25. Juni und ich fürchte mich davor einen Text
vom 12. Mai vorzutragen und zu sehen wo wir uns seitdem hin entwickelt haben." Mit der Rede
"Drei Tage im Mai" eröffnete die Gewinnerin des Ingeborg-Bachmann-Preises 2021 am 25. Juni 2025
die 49. Tage der deutschsprachigen Literatur in Klagenfurt ("Und ich sage dass ich mir
wünschte ich könnte diese Rede tanzen so wie der Cousin in der Erzählung tanzt um endlich
sprechen zu können"). Darin erzählt sie von einer Reise: vom steirischen Graz in die
westdeutsche Pfalz von Gated Communities wie dem karibischen Próspera ("sogenannte 'Zonen für
Arbeit und wirtschaftliche Entwicklung' in die sich Tech-Milliardäre einkauften auf die kein
Staat Zugriff hat und von wo aus sie sich in Ruhe leicht erhöht und sicher vor ansteigenden
Meeresspiegeln den Untergang des Rests der Welt mit ansehen könnten") über Gaza Buchenwald
Rom nach Klagenfurt vom Aufstieg des "Endzeit-Faschismus" (Naomi Klein und Astra Taylor) über
das Ende des Zweiten Weltkriegs vor 80 Jahren einen neuen Papst ("Ich wundere mich was wir
Menschen uns alles ausgedacht haben welche Regelwerke Riten und Symboliken was wir alles
erschaffen haben und woran wir uns binden und halten und dass sich sehr viele Menschen darauf
einigen können dass ein Umhang auf den Schultern eines Mannes so viel Bedeutung besitzt") bis
zum Tod von Margot Friedländer ("'Seid Menschen' sagte sie") vom allein Unterwegssein und
davon wie die große Welt nicht zuletzt über die mediale Begleitmusik ("What a difference a day
makes") den Rückzug ins Private unmöglich macht. "In diesen Momenten fühlt es sich an als
wäre nicht vorrangig Schreiben mein Job sondern vor allem mich weiterhin der Welt auszusetzen
durchlässig empfindsam und verwundbar zu bleiben und dann zum Ausdruck zu bringen was das mit
mir macht. Mit mir und meinen fiktiven Charakteren." Ein dicht getakteter Road-Trip in dem es
um das der Welt Ausgesetztsein geht um Auseinandersetzung mit der Gegenwart und Konsequenzen
für das literarische Schreiben um den Sog apokalyptischer Erzählungen sowie um Möglichkeiten
ihm seine Kraft zu nehmen und der vermeintlichen Alternativ- und Sprachlosigkeit etwas
entgegenzusetzen. "Dann erfordert es unsere ganze Vorstellungskraft mit anderen besseren
Geschichten die Lücke zu füllen. Geschichten von Verbundenheit und Verantwortung. Geschichten
von Zugehörigkeit und Zusammenhalt die einen viel stärkeren Sog ausüben können." "Ich
überwinde nicht nur mit jedem Text mich selbst ich versuche auch immer wieder zu überwinden
was gemeinhin als Realität hingenommen wird."