Jedes Jahr wenn die Schausteller an Pfingsten in Thun mit Wohnwagen Putschautos und
Rösslispiel auffahren erinnere ich mich anden Mord an Beat Gyger.Es war Pfingstsamstag 9.
Juni 1973 ein vorsommerlicher und sonnigerTag. Eigentlich hätte der 14-Jährige seiner
Grossmutter eine Nachrichtüberbringen sollen. Stattdessen ging er auf den 'Budeler' wie
derBudenplatzvon den Einheimischen genannt wird. Am Morgen daraufentdeckten zwei Reiterinnen
den Ermordeten. Er lag bäuchlings im Lindenbachgrabenzwischen Riggisberg und
Schwarzenburg.Damals war ich zehn Jahre alt. Diese Tat und die darauffolgenden
Gerüchteerschütterten meine kindlichen Vorstellungen einer heilen Welt.Ein Mord in Thun ich
war geschockt. Jeder weitere Besuch der Chilbiwar in meiner Kindheit verbunden mit der
Verunsicherung dass auchmir etwas zustossen könnte. Seither löst jeder Rummelplatz sofort
dieselbenGefühle von damals aus: das Unvermögen zu fassen dass einsolches Ereignis geschehen
konnte und ausufernde Vorstellungen darüber was Beat Gyger wohl erlebt haben könnte.Vor
einigen Jahren erzählte mir Bernhard Gyger seine Geschichte überden Verlust seines Bruders.
Wieder packte mich dieses Gefühl des Unfassbaren gepaart mit dem Versuch im Ansatz erahnen zu
können wieein ungeklärtes Tötungsdelikt ein Leben von einer Sekunde auf die andereverändert
und fortan prägt. Ich fragte ihn ob er und seine Familiemir eine Spurensuche erlaubten - ich
las Zeitungsberichte stöberte inArchiven sprach wiederholt mit der Familie kontaktierte
Klassenkollegen Lehrer Schausteller Verdächtigte befragte Zeitzeugen Nachbarn Witwen von
Fahndern den einstigen Fahndungsleiter den damals zuständigenUntersuchungsrichter heutige
Fahnder ehemalige Reporter Psychiater über 200 Personen.Die Spuren die mir suspekt oder
sogar verdächtig schienen verfolgteich vertiefter und suchte zu diesen Themen mehrere Personen
auf. Vonder Polizei liess ich mich über die Fahndungsarbeit von heute informieren hörte mir
ihre Beurteilung der damaligen Polizeiarbeit an recherchierteüber andere Mordfälle studierte
die mögliche Palette von psychologischenAuswirkungen nach Traumata. Zudem verarbeitete ich
diemir vorliegenden Akten und Notizen zum Fall Gyger die ein mittlerweileverstorbener Fahnder
für sich angelegt und kopiert hatte. Insgesamtumfasst der Fall Gyger zehn Bundesordner.
EinigePersonen wollten -aus welchen Gründen auch immer - nicht über Beat Gyger und
dasTötungsdeliktsprechen und verweigerten die Auskunft. Andere redetenzwar doch sie ärgerten
sich darüber dass in alten Erinnerungen gewühltund dieses Drama 40 Jahre später wieder
aufgewärmt wird. Wiederumandere bezeichneten diese Spurensucheals ausserordentlichwichtig. Der
Mordfall Gyger ist auch nach 40 Jahren ungeklärt.Aus dem Vorwort von Franziska Streun