Im November 1938 wurde in der sogenannten "Reichspogromnacht" die Familie Geiershoefer aus
Allersberg (Bayern) inhaftiert. Durch Androhung körperlicher Gewalt und Erpressung sahen sich
die Geierhoefers in den Tagen danach gezwungen ihren Besitz vor allem eine Fabrik für
Christbaumschmuck weit unter Wert zu verkaufen bzw. zu verschenken. Treibende Kräfte auf
Seiten des nationalsozialistischen Regimes waren NSDAP-Vertreter der lokalen und regionalen
Ebene. Während Teilen der Familie die Flucht ins Exil gelang wurde die ehemalige
Firmeninhaberin deportiert und im Ghetto Lodz ermordet. Nach 1945 erfolgte die Aufarbeitung der
Geschehnisse auf unterschiedlichen Ebenen: Vor dem Landgericht Nürnberg wurden mehrere Männer
wegen räuberischer Erpressung angeklagt. Gleichzeitig mussten sich die Angeklagten im Rahmen
der Entnazifizierung in Spruchkammerverfahren verantworten. Die Familie Geiershoefer wiederum
kämpfte in mehreren Restitutions- und Wiedergutmachungsverfahren jahrelang um die Rückgabe
ihres Besitzes und um finanzielle Kompensation für das erlittene Unrecht. Was der Familie
Geiershoefer geschah war keine Ausnahme. Die "Arisierungen" im Deutschen Reich die zwischen
1933 und dem Beginn des Zweiten Weltkriegs einen der "größten Besitzerwechsel in der neueren
deutschen Geschichte" (Frank Bajohr) darstellten waren integraler Teil der
nationalsozialistischen Verfolgungspolitik. Die historische Forschung hat sich mit diesen
Prozessen intensiv auseinandergesetzt. Selten jedoch wird dabei die ganze Komplexität des
Geschehens zwischen nationalsozialistischer Verfolgung und Aufarbeitung in der Nachkriegszeit
umfassend beleuchtet. Das Buch das auf ein Lehrforschungsprojekt an der KU
Eichstätt-Ingolstadt zurückgeht nimmt daher unterschiedliche Perspektiven ein und erschließt
die Ereignisse über einen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten hinweg. Dabei stehen einerseits die
Opfer und ihre Handlungsspielräume während des Nationalsozialismus im Exil aber auch in der
Nachkriegszeit im Mittelpunkt. Andererseits aber wird auch den Tätern Mittätern und anderen am
Tatgeschehen Beteiligten nachgespürt. Auf diese Weise entsteht ein vielschichtiges Panorama der
Verfolgungsgeschichte und ihrer Aufarbeitung. Durch den umfassenden Zugriff auf mehreren Ebenen
wird ein komplexes Geschehen erschlossen das zentrale Entwicklungslinien der deutschen
Geschichte zwischen den 1930er und den 1950er Jahren zusammenbindet.