Als Phillis Wheatley 1773 ihr Buch Poems on Various Subjects Religious and Moral
veröffentlichte schrieb sie in mehrfacher Hinsicht Geschichte. Sie war die erste
afroamerikanische Person die einen Gedichtband publizierte. Und sie war Sklavin. Wheatleys Weg
vom entführten Kind aus Westafrika zur Begründerin der afroamerikanischen Literatur war
hindernisreich. Dass eine afroamerikanische Person Gedichte verfassen könne musste der weißen
Leseöffentlichkeit erst einmal bewiesen werden. Und auch die Kritik des publizierten Bandes war
von rassistischer Abwertung geprägt - zu ihren größten Kritikern gehörte kein geringerer als
Thomas Jefferson. Die Dichterin Wheatley orientiert sich formal am britischen Klassizismus
doch sie spricht mit eigenständiger Stimme und zeigt sich selbstbewusst in ihrer
afroamerikanischen Identität. Sie macht sich für die Unabhängigkeit Amerikas von den Briten
stark und entlarvt zugleich die Doppelmoral einer Sklavenhaltergesellschaft die auf Freiheit
pocht. Ihre hingebungsvolle Religiosität und Sehnsucht nach Transzendenz erhält im Hinblick auf
das Leid der afroamerikanischen Bevölkerung besondere Bedeutung. Im Kanon der US-Literatur
ist die Pionierin Wheatley inzwischen längst etabliert. Zum 250. Publikationsjubiläum ihres
Gedichtbands wird ihr bahnbrechendes Werk und ihr bewegendes Leben endlich auch dem deutschen
Lesepublikum zugänglich.