Innerhalb der vielfältig ausdifferenzierten konfuzianischen Philosophie des 16. Jahrhunderts
bezieht Wáng Tíngxiàng (1474-1544) eine markante Position. Seit dem 11. Jahrhundert hatte das
konfuzianische Denken eine Systematik entwickelt deren konsistente Terminologie und klassische
Bezüge in den Bereichen Ethik Kosmologie und Erkenntnistheorie eine breite Produktion von sich
aufeinander beziehenden Beiträgen hervorgebracht hatten. Dieser komplexe Diskurs bewegte sich
in einem Netzwerk von philosophischen Positionen die von zeitgenössischen Denkern vertreten
wurden und deren Unterschiede in der Wahl der klassischen Referenzen bestehen. Wáng Tíngxiàng
lehnt dabei das im Prüfungssystem zum Kanon erhobene Denken eines Zhu Xi (1130-1200) genauso ab
wie er sich gegen die Theorien seines einflussreicheren Zeitgenossen Wáng Yángmíng (1472-1529)
stellt. Stattdessen bezieht er sich für seine kosmologischen Vorstellungen explizit auf Zhang
Zài (1020-1077) und für seine Positionen zu Erkenntnis und Handlung implizit auf Xúnzi (ca.
310-ca. 239). Wáng Tíngxiàng geht von einer ausschließlich durch die dynamische Kraft der
Materie entstandenen Welt aus deren Erkenntnis dem Menschen durch einen auf Erfahrung
gestützten Austausch mit der physischen Welt möglich wird. Das Ziel einer durch die
konfuzianische Ethik geprägten Gesellschaft erreicht der Mensch dabei durch ein
praxisorientiertes Handeln. Für den vorliegenden Band wurden ausgewählte Texte übersetzt die
sich durch eine thematische Abgeschlossenheit oder die diskursive Erläuterung des eigenen
Denkens im brieflichen Dialog auszeichnen ergänzt um vergleichende Auszüge aus den beiden
größeren Schriften Wáng Tíngxiàngs.