Was ist Mutismus? Welche Auswirkungen hat er auf die Eltern die Geschwister auf die
Betroffenen selbst? Ist eine Therapie notwendig oder sollte man auf eine selbständige
Abschwächung des angstbedingten Schweigens hoffen? Wer vom Mutismus betroffen ist oder aus der
Elternperspektive den Weg in den Rückzug mitverfolgt spürt die Gefährdung einer
gesamtpersonalen Entwicklungshemmung auch wenn Fachleute immer noch auf eine verlängerte
Trotzphase verweisen den Mutismus mit Schüchternheit verwechseln oder das Prinzip Gelassenheit
propagieren um auf Zeit zu setzen. Mutismus hat aber keine Zeit. Schweigen bedeutet Isolation
erzeugt die ersten Einbußen in der Lebensqualität bereits im frühen Kindesalter und wird wenn
eine Therapie die kommunikative Öffnung nicht herbeizuführen vermag zu einer komplexen
Lebenssackgasse im Jugend- und Erwachsenenalter mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit einer
depressiven und oder angstinduzierten Selbstgefährdung. In der Fachliteratur sind Lebenswege
von schweigenden Menschen ausschließlich in Falldarstellungen so genannten Kasuistiken zu
finden. Eine Beschreibung der alltäglichen Lebensbewältigung aus der Sicht der
Selbstbetroffenheit sucht man vergeblich. Diese Lücke in der qualitativen Sozialforschung wird
nun geschlossen indem Eltern und Betroffene selbst zu Wort kommen. In zehn (Auto-)Biographien
werden in zum Teil bedrückender Weise die psychosozialen Konsequenzen des Schweigens im Kindes-
Jugend- und Erwachsenenalter geschildert. Darüber hinaus verdeutlichen die unterschiedlichen
Behandlungsverläufe die weit verbreitete Unspezifität der therapeutischen Versorgung von
Schweigenden aber auch: das System Mutismus. An dieser Stelle setzt die in eigener Praxis
entwickelte Systemische Mutismus-Therapie abgekürzt SYMUT an. Mit der Darstellung der
einzelnen Therapiemodule und der Didaktik des vierstufigen Behandlungsmodells wird eine
direktiv auf das Sprechen ausgerichtete Behandlungsmethode aufgezeigt die Aspekte des
Spracherwerbs ebenso berücksichtigt wie aufrechterhaltende Erziehungsmuster des familiären
Systems. Dabei zeigt sich: Leben mit Mutismus ist kein Schicksal! Das vorliegende Buch will Mut
machen. Erfreuliche Entwicklungen zeugen davon dass Mutismus nichts Schicksalhaftes ist.
Besonders hervorzuheben ist dass hier auch erwachsene Betroffene zu Wort kommen und die
Perspektive über das Kindesalter hinaus geöffnet wird. Damit hebt sich das Buch von der übrigen
deutschsprachigen Literatur deutlich ab. Zwei weitere Punkte sind bemerkenswert. Zum einen
werden die populären psychoanalytischen Theorien hinsichtlich der traumatischen Verursachung
des Schweigens sowie dessen angebliche psychodynamische Sinnhaftigkeit kritisch hinterfragt und
der Mutismus deutlich in den Kontext der Sozialphobie und Depression gestellt. Diese Zuordnung
findet ihre Entsprechung nicht nur in der aktuellen angloamerikanischen Literatur sondern auch
in den Familien- und Autobiographien des Buches. Zum anderen wird - und dieser Punkt macht die
Publikation für alle therapeutisch Tätigen so wertvoll - eine komplette Therapiekonzeption
dargestellt. (Prof. Dr. Kurt Eberhard Die Sprachheilarbeit 2 2008) Vor allem die Fallbeispiele
und Therapievorschläge bereichern Ausbildung und Arbeitsalltag. (Petra Rettig Ergotherapie und
Rehabilitation 3 2007)