Cornelius Borck schildert die spannende Geschichte der Forschung auf dem Weg zum »elektrischen
Gehirn«.Die Visualisierung von Gehirnprozessen hat in der Geschichte der Hirnforschung
regelmäßig große Erwartungen geweckt. Cornelius Borck stellt mit der Registrierung elektrischer
Hirnströme eine Aufzeichnungstechnik ins Zentrum seiner Untersuchung mit der sich seinerzeit
die Hoffnung verknüpfte das Gehirn in seiner eigenen Sprache schreiben zu lassen und so seine
Funktionsweise lesbar zu machen. Er verfolgt die vielfach widersprüchlichen Deutungen zur
Elektroenzephalographie von den Versuchen des deutschen Psychiaters Hans Berger und seiner
Veröffentlichung eines menschlichen EEG im Jahr 1929 bis zu ihrer internationalen Ausbreitung
und Konsolidierung als klinische Diagnosemethode in der Mitte des 20sten Jahrhunderts. Borcks
These lautet daß die Schrift des Gehirns in lokalen Forschungskulturen je spezifische Konturen
annahm aus deren Widerstreit ein neues wissenschaftliches Objekt das elektrische Gehirn
hervortrat. Wenn sich in Borcks Analyse Differenzen und Divergenzen in der Hirnforschung als
Effekte lokaler Interaktionen verschiedener Akteure erschließen liefert er damit zugleich
einen Beleg für die kulturelle Formbarkeit des Gehirns. Das elektrische Gehirn ist in einem
historisch präzisierbaren Sinne erst das Produkt seiner elektrotechnischen Erforschung. Das
Wissen vom Gehirn und Theorien über dessen Funktionieren sind von den Maschinen geprägt denen
sich dieses Wissen verdankt. Es stellt sich deshalb vielmehr die Frage was sich eigentlich
darin manifestiert daß sich die erhobenen EEG-Befunde immer wieder den vorgelegten Theorien
und Deutungen entzogen.Zur Reihe:Die Wissenschaftsgeschichte verstand sich lange Zeit als eine
Art Gedächtnis der Wissenschaften. Heute sucht sie ihren Platz in der Kulturgeschichte und
sieht ihre Aufgabe nicht zuletzt darin Brücken zwischen den Naturwissenschaften und den
Geisteswissenschaften zu bauen. Die Formen in denen dies geschieht sind keineswegs
ausgemacht. Sie sind Gegenstand eines großen gegenwärtig im Gange befindlichen Experiments.
Die historische Einbettung der wissenschaftlichen Erkenntnis der Blick auf die materielle
Kultur der Wissenschaften auf ihre Objekte und auf die Räume ihrer Darstellung verlangt nach
neuen Formen der Reflexion des Erzählens und der Präsentation. Die von Michael Hagner und
Hans-Jörg Rheinberger herausgegebene Reihe »Wissenschaftsgeschichte« versteht sich als ein
Forum auf dem solche Versuche vorgestellt werden.