Helmut Böttiger zeichnet ein differenziertes bunt schillerndes Bild der politischen
kulturellen und literarischen Prozesse dieses Jahrzehnts zwischen Aufbruch und
Desillusionierung. Die 70er Jahre waren ganz anders. Gerade die Parole vom »Tod der Literatur«
die mit der Nummer 15 des »Kursbuchs« 1968 verbunden wurde löste eine nach allen Seiten hin
wuchernde und wilde Blütezeit der Literatur aus! Überall wurden kleine alternative
Literaturzeitschriften Verlage und Buchhandlungen gegründet für die Hoch- und Subkultur keine
Gegensätze mehr waren. Eine neue Generation begann nach unterdrückten Gefühlen nach Freiräumen
für die eigene Subjektivität zu suchen. Peter Schneiders Erzählung »Lenz« wirkte wie ein Fanal.
Rolf Dieter Brinkmann Nicolas Born oder Jürgen Theobaldy beeinflusst von der
angloamerikanischen Beat-Generation standen für eine Lyrik die die Grauzonen des deutschen
Alltags mit grellen Farben aufmischte. Der durch die Revolte mitinitiierte Feminismus hatte mit
Verena Stefans »Häutungen« oder Karin Strucks »Klassenliebe« erste Bestseller gleich mehrere
Autoren wandten sich den Prägungen durch ihre Naziväter zu und mit Wilhelm Genazino und
Eckhard Henscheid ergaben sich erste charakteristische Durchdringungen von Tragik und Komik. In
denselben Jahren entstanden mit den großen Büchern von Uwe Johnson Peter Handke Peter Weiss
Ingeborg Bachmann oder Arno Schmidt Monumente eines Bewusstseins nach der Moderne. Zeitgleich
mit dem optimistischen Lebensgefühl der Willy-Brandt-Jahre der Bundesrepublik erlebte auch die
DDR die Zeit ihrer größten Lockerungen - an Beispielen von Christa Wolf Franz Fühmann und
anderen werden die Widersprüche deutlich - bis die Biermann-Ausbürgerung ihnen 1976 ein Ende
setzte. Und ebenso wirft Böttiger Seitenblicke in die Schweiz zu Fritz Zorn und Hermann Burger
und nach Österreich wo er die Selbstüberbietungsprosa eines Thomas Bernhard als ein zentrales
Ergebnis der siebziger Jahre sieht.