Wie ergeht es der Poesie in zunehmend prosaischen Zeiten?Georges Feltens Studie zur Literatur
des deutschsprachigen Realismus liest das vielgestaltige Wechselverhältnis von Poesie und Prosa
als Chiffre einer poetologischen Zerreißprobe. Von Theodor Storm und Gottfried Keller über
Wilhelm Busch bis hin zu C. F. Meyer und Theodor Fontane gewährt sie damit ebenso überraschende
wie exemplarische Einblicke in ein epochenkonstitutives Schreibmuster.Einerseits setzt sie die
Dimension der Texte in ihr Recht die in Einklang mit den programmrealistischen Forderungen
nach poetisierender Verklärung wohlgeordneter abgerundeter Organizität und
versöhnlich-humoristischem Ausgleich steht. Andererseits - und vor allem - zeigt sie aber auch
wie die prosaisch konnotierten Wissens- und Medienumbrüche der damaligen Zeit allen Einhegungs-
Überformungs- und Ausschlussbestrebungen zum Trotz in die Texte hineinwirken: Von ihrer
marginalen Position aus unterlaufen sie die dominanten auf Poetisierungseffekte abzielenden
Ordnungsmuster und laden die Texte diskret - und doch beharrlich - mit unförmlich-grotesker
Energie auf. Stets artikuliert sich im deutschsprachigen Realismus damit zumindest ansatzweise
auch ein grundsätzlich anderer Poesie-Begriff: das was mit einem Wort von Fontane seinen
»Stich ins Moderne« ausmacht.