Carl Rathjens - ein deutscher Außenseiter und selbstkritischer Europäer im Zeitalter der
Extreme Der promovierte Geograph Carl Rathjens zog als überzeugter Nationalist in den Ersten
Weltkrieg - und kehrte als Nationalismuskritiker daraus zurück. So lehrten ihn zunächst die
Kriegserfahrungen später dann besonders seine Forschungsreisen in den Nahen Osten die Rolle
Europas in der Welt infrage zu stellen: Im Jemen sah er wie die europäischen Kolonialmächte um
ihre Vorherrschaft und die Einheimischen um ihre Selbstbehauptung rangen. Da er dort die
jüdischen Gemeinden intensiv kennenlernte beobachtete er anfangs auch die europäischen
Zionistinnen und Zionisten und die Bemühungen um ihre Auswanderung nach Palästina Israel mit
Skepsis. Spätestens jedoch mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten sah Rathjens den
Zionismus mit anderen Augen: Er stand mit vielen deutschen Jüdinnen und Juden in
freundschaftlichen wissenschaftlichen und sogar geschäftlichen Beziehungen und erkannte dass
der deutsche Nationalismus untrennbar mit einem menschenfeindlichen Antisemitismus verbunden
war. Als Systemkritiker wurde er 1933 aus seiner Stellung im Hamburgischen
Welt-Wirtschafts-Archiv entlassen und lebte fortan in prekärer Situation. Nach Ende des Zweiten
Weltkriegs lehrte Rathjens als Honorarprofessor für Geographie an der Universität Hamburg und
blieb dem Nahen Osten als Reiseziel bis ins Alter treu.