Seit dem Inkrafttreten des Steuerentlastungsgesetzes 1999 2000 2002 sind Verbindlichkeiten und
Rückstellungen mit einer Restlaufzeit von mindestens einem Jahr mit einem Zinssatz von 5 5 %
abzuzinsen. Diese Vorschrift und deren Belastungswirkung machen es zwingend notwendig die
Bilanzierung ungewisser Verbindlichkeiten auch hinsichtlich des Grundsatzes der Einzelbewertung
zu betrachten. Denn erst die jeweilige Abgrenzung der Bewertungseinheit Rückstellung bestimmt
den Abzinsungszeitraum und somit auch die Höhe der Rückstellung. Damit ist die Bestimmung
zuverlässiger Abgrenzungskriterien von Schulden zur Identifizierung einzelner separat zu
passivierender Teilverpflichtungen fundamental zur Darstellung einer den tatsächlichen
Verhältnissen entsprechenden Vermögens- Finanz- und Ertragslage von Unternehmen. Auf der
Aktivseite der Bilanz wurden hinreichend Kriterien zur Abgrenzung von Vermögensgegenständen und
Wirtschaftsgütern entwickelt so beispielsweise der einheitliche Nutzungs- und
Funktionszusammenhang. Hingegen wurde der Frage nach einer zuverlässigen Abgrenzung von
Rückstellungen und Verbindlichkeiten auf der Passivseite der Bilanz bis heute keinerlei
Bedeutung zugesprochen. Betrachtet man jedoch die Tatsache dass Rückstellungen eine der
dominierenden Bilanzposten im Jahresabschluss deutscher Unternehmen darstellen ist dies nicht
verständlich. 6 Abs. 1 Nr. 3a lit. e S. 2 EStG bestimmt nämlich dass der Zeitraum bis zum
Beginn der Erfüllung der Schuld maßgeblich für die Abzinsung ist. Demnach macht es einen
erheblichen Unterschied ob eine Verpflichtung als globale Schuld in einer Rückstellung
gebündelt bilanziert wird oder ob diese globale Schuld in einzelne Teilverpflichtungen
atomisiert und getrennt voneinander passiviert wird. Um die Frage nach einer getrennten oder
zusammengefassten Passivierung ungewisser Verbindlichkeiten beantworten zu können werden in
der Untersuchung zunächst die Grundlagen der Bilanzierung ungewisser Verbindlichkeiten sowohl
nach Handels- und Steuerrecht als auch nach internationalem Recht dargestellt. Darauffolgend
steht der Einzelbewertungsgrundsatz und dessen Bedeutung innerhalb des Systems der Grundsätze
ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) im Mittelpunkt der Untersuchung um dadurch sowohl
bilanzrechtliche Möglichkeiten und Grenzen der Atomisierung von Verbindlichkeiten als auch
Fälle von zwingend als Bewertungseinheit zu passivierenden Schulden zu ermitteln. Dabei wird
das Zusammenspiel von Rückstellungsbilanzierung und Einzelbewertungsprinzip intensiv
betrachtet. Als weiterer Anhaltspunkt zur Ermittlung von Abgrenzungskriterien für die
Rückstellungsbilanzierung werden bereits vorhandene Kriterien zur Bildung von
Bewertungseinheiten auf der Aktivseite der Bilanz dargestellt und dahingehend untersucht ob
sie eine Übertragbarkeit auf die Passivierung zulassen. Dabei bieten neben formal-juristischen
Ansatzpunkten unter anderem die Voraussetzungen zur Mehrkomponentenbilanzierung die Bildung
von Leistungsbündeln im Steuerrecht und die Bilanzierung langfristiger Fertigungsaufträge eine
mögliche Orientierung. Auch hier werden neben handels- und steuerrechtlichen Normen die
einschlägigen Vorschriften im internationalen Recht betrachtet. Zur Verdeutlichung und
Überprüfung der aus den dargestellten Untersuchungen gewonnenen Erkenntnisse werden diese
sodann auf die Bilanzierung von Rückstellungen für Rekultivierungs- und
Restrukturierungsverpflichtungen übertragen. Dabei werden zunächst die Besonderheiten dieser in
der Praxis häufig vorkommenden speziellen Verpflichtungen herausgearbeitet um daraufhin den
Rückstellungsansatz und die Rückstellungsbewertung hinsichtlich Abzinsung und
Einzelbewertungsprinzip genauer zu betrachten. Somit können die zuvor theoretisch gewonnen
Erkenntnisse auf die Praxis übertragen werden. Die ganze Untersuchung berücksichtigt dabei
umfassend das Spannungsverhältnis zwischen einer willkürfreien und gläubigerschutzorientierten
Rechnungslegung und der grundlegenden Informationsfunktion des Jahresabschlusses. In einer
kurzen Endbetrachtung sind die Ergebnisse der Untersuchung und mögliche Abgrenzungskriterien
einer Bewertungseinheit auf der Passivseite der Bilanz zusammengestellt.