Die Erforschung des Verhältnisses von Wirtschaft und Herrschaft des Nationalsozialismus erfuhr
mehr als ein halbes Jahrhundert danach durch zahlreiche Firmengeschichten einen regelrechten
Schub. Unterbelichtet blieben dabei jedoch die für die deutsche Wirtschaft so wichtigen
Familienunternehmen. Die Zerstörung von Geschäftsunterlagen im Krieg deren nachlässige
Behandlung oder Nachfolgekrisen erschweren diese Aufgabe. Tengelmann 1867 gegründet und
zeitweise eine der größten Handelsketten Deutschlands fällt in drei zentrale Defizitbereiche
dieser politischen Wirtschaftsgeschichte: Familienunternehmen Handel und Lebensmittelbranche.
Anhand von biografischen unternehmensstrategischen und kulturwissenschaftlichen Zugriffsweisen
analysierte seit 2011 das Team um Lutz Niethammer ob und inwieweit der Konzern an Zwangsarbeit
Arisierung Besatzungsherrschaft und Kriegsgewinnen beteiligt war. Untersucht wird auch die
SS-Mitgliedschaft des damaligen Chefs Karl Schmitz-Scholl jun. sowie sein Verhalten zwischen
Unternehmen Familie SS und Wehrmacht. Die Quellenbasis einer internen Familienchronik wurde
durch zahlreiche bisher nicht erschlossene Überlieferungen im Unternehmen und umfassende
Recherchen in öffentlichen Archiven im In- und Ausland erweitert. Die reich bebilderte
Darstellung ist in Problemstränge gegliedert und zeichnet ein differenziertes Bild zwischen
1930 und 1950. Die Frage nach dem politischen Verhalten und der Verantwortung ergibt dabei
keine simplen Schwarz-Weiß-Kontraste.