Er war der Erstgeborene Johann Sebastian Bachs. Den Bach-Söhnen galt er als erneuertes Genie
des Vaters seinen Zeitgenossen als der größte Orgelspieler Deutschlands und genialer
Improvisator. Doch er starb verarmt. Wilhelm Friedemann Bach schrieb als junger Mann einen für
die Zeit hypermodernen Stil ganz in der Abkehr von der Musik seines Vaters und kehrte im
Alter zur Fuge zurück. Seine Fugenkompositionen werden von der Musikwissenschaft belächelt -
doch sind sie tatsächlich stümperhaft oder vielmehr eine folgerichtige Weiterentwicklung? Steht
Friedemann zwischen den Welten von Barock und Klassik wie immer gesagt wird? Und wie sahen die
Zeitgenossen generell die Musik im 18. Jahrhundert? Das Privatleben Wilhelm Friedemann Bachs
das als skandalös galt bot genügend Stoff für eine Gründgens-Verfilmung. Daniel Hensel
Komponist und Musikwissenschaftler nimmt sich in seinem vorliegendem Buch der komplexen
Persönlichkeit Wilhelm Friedemann Bachs an und überprüft Urteile und Vorurteile über Leben und
Werk des Künstlers. Dabei behandelt er neben zeitgenössischen Originalquellen die Stellung
Wilhelm Friedemann Bachs als Romanfigur die Quellenlage der Werke und auch in exemplarischen
Analysen einige seiner Klavierwerke. Diese Analysen des Werkes Friedemann Bachs durch einen
Komponisten sind bislang einzigartig. Hensel vermittelt bei seiner detaillierten Beschreibung
einen lebendigen Blick auf das 18. Jahrhundert auch abseits der Wiener Klassik einem
Jahrhundert voll von gesellschaftlichen und musikalischen Umbrüchen. Durch das Studium
zeitgenössischer Theoretiker kommt er zu einer Neubewertung der Musik der Mitte des 18.
Jahrhunderts abseits der Termini Barock Vorklassik oder Klassik was auch den Blick auf die
Wiener Klassik verändern könnte. Bei den Analysen stößt er auf zwei überraschende Ergebnisse:
Friedemann Bach steht kompositorisch durchaus in der Kette der Musikgeschichte er war nur
seiner Zeit voraus. Die Klassik überspringt er und schaut direkt in die Romantik. Seine
exzessive Materialverarbeitung lässt an Brahms der ein Werk Friedemanns bearbeitete und
Arnold Schönbergs Technik der entwickelnden Variation denken. Seine Fugenkompositionen erinnern
in ihrer musikalischen Aussage an das Spätwerk Liszts technisch sind sie dem Vater als
weiterentwickeltes Erbe zumindest ebenbürtig. Das Buch richtet sich an Interessierte aller
Coleur an ausübende Musiker Musiktheoretiker und interessierte Laien.