Vor etwa 300 Jahren öffnete Peter der Große Russlands Fenster nach Europa und erschütterte
durch diese Umwälzung die bis dahin geltende russische Wertehierarchie. Moskau stellte von nun
an nicht mehr den Hort des reinen Glaubens das Abbild des Himmelreiches auf Erden sondern
lediglich ein unterentwickeltes Territorium dar das erst zivilisiert werden musste. Das Land
begab sich auf eine Aufholjagd um den Rückstand gegenüber dem wirtschaftlich und technologisch
davoneilenden Westen zu beseitigen. Der Versuch Peters des Großen Russland an die europäische
Normalität anzupassen geriet in einen eklatanten Widerspruch zu dem im Lande tief verwurzelten
Glauben an die Auserwähltheit der russischen Nation der heiligen Rus . Und nicht zuletzt
aufgrund dieses Glaubens ist es den Nachfolgern Peters niemals gelungen Russland in ein
normales europäisches Land zu verwandeln. Aber auch die Widersacher Peters des Großen waren nie
imstande die Folgen seines Werks ungeschehen zu machen. Nach dem petrinischen Verzicht auf den
russischen Sonderweg hatte das Land die Chance erhalten prägend an der Weiterentwicklung der
europäischen Kultur in ihrer Gesamtheit mitzuwirken. Dessen ungeachtet wurde der europäische
Charakter Russlands sowohl im Westen als auch in Russland selbst fortwährend in Frage gestellt.
Dies insbesondere nach dem Sieg der bolschewistischen Revolution die zu einer erneuten
Trennung der beiden essentiell aufeinander angewiesenen Teile Europas führte. Die Beiträge des
Bandes werden sich mit der Analyse dieser Diskurse wie auch mit den Ursachen und Folgen der
bolschewistischen Umwälzung befassen die Russlands Fenster nach Europa das Peter der Große
geöffnet hatte wieder schloss.