Die sogenannten Sängerkastraten waren die Stars der Barockmusik. Ihre kindhaft hohe Stimme
gepaart mit der Gesangs- und Ausdruckskraft eines Erwachsenen machte sie zu gefeierten
Künstlern. Zwischen 1600 und 1750 sollen pro Jahr bis zu 4.000 Jungen zwischen sechs und neun
Jahren kastriert worden sein um eine Laufbahn als Sängerkastrat einschlagen zu können. Schon
allein diese Zahl lässt stutzig werden ob der Mythos der Sängerkastraten aus heutiger Sicht
aufrechtzuerhalten ist. Hinzu kommt dass heutige Interpreten dieser Gesangspartien meist
Countertenöre auch ohne chirurgischen Eingriff keinerlei Probleme haben allen technischen und
interpretatorischen Anforderungen der barockzeitlichen Kompositionen in vollem Umfang gerecht
zu werden. Hat es sie also wirklich gegeben die gefeierten Sängerkastraten der Barockzeit?
Eine Auseinandersetzung mit dieser Frage aus medizinischer Sicht steht bislang aus. Heinz Baum
schließt mit seinem vorliegenden Buch diese Lücke. Er spannt den Bogen von der barockzeitlichen
Chirurgie mit ihren wenigen Möglichkeiten bis zur heutigen Endokrinologie mit der Kenntnis
funktionaler Zusammenhänge. In einer Art Zeitreise gewinnt der Leser dabei nicht nur Einblicke
in die barocke Kastrationsmedizin sondern auch in Grundlagen chirurgischer Tätigkeit sowie in
neuestes molekularbiologisches Wissen. Die sich daraus ergebenden Antworten sind überraschend
und legen eine völlig neue Sichtweise zu den damaligen Kastrationen nahe.