Die Selmenianer sind eine jüdische Großfamilie deren traditionelle Schtetl-Sentimentalität
durch die Umwälzungen der Russischen Revolution und die neue sowjetische Ordnung aus den Fugen
gerät. In ihre Stadt schleicht sich das Gespenst des Bolschewismus ein und wird nicht mehr
weichen: Sowjetmacht plus Elektrifizierung. Vier Generationen von Selmenianern allesamt
»schwarzhaarig und knochig gebaut« mit einer »breiten niedrigen Stirn fleischigen Nasen und
Grübchen in den Wangen« leben auf dem Hof des längst verstorbenen Ahnen Selmele. In dieser
Geschichte einer Familie die sich im Konflikt zwischen Modernisierungsverweigerung und
Fortschrittsglauben behaupten muss leben die dynastischen Erzählungen des Alten Testaments und
die heitermelancholische Haltung chassidischer Überlieferungen fort während zugleich die
literarische Doktrin des Sozialistischen Realismus einzieht. In seinem als Fortsetzungsroman in
einer Minsker Zeitung zwischen 1929 und 1935 verfassten Selmenianern stellt sich Moische
Kulbak dem Konflikt zwischen dem Jüdisch-Sein und den stalinistischen Vorstellungen vom »Neuen
Menschen«.