»Schlaft nicht! Die großen Brände sind vorüber noch größere stehen uns bevor.«Schmetterlinge
Brände und Explosionen Verkleidungen und Doppelgänger Entführungen und Morde Fenstersprünge
ein Irrenhaus und vieles mehr: »Dem Leser schwirrt der Kopf« schrieb Alexej Tolstoi einer der
Autoren dieses köstlichen Kollektivromans der mit einer unheimlichen Brandmetapher endet. Es
ist ein literarisch-sowjetisches Kabinettstück von 25 Autoren (vierundzwanzig Autoren und einer
Autorin) aus der Zeit der russischen Moderne dazu gehören Isaak Babel Michail Sostschenko und
drei weitere Autoren der »Serapionsbrüder« aus Petrograd. Die großen Brände erschien 1927 in
der Zeitschrift »Ogonjok« verbreitet in einer Auflage von fast einer halben Million
Exemplaren. Die grelle und spannende Geschichte um geheimnisvolle Brände vereinte Autoren aus
völlig unterschiedlichen politischen Richtungen sie war ein Experiment. Die Autorenphantasie
angeführt von Alexander Grin im ersten Kapitel entflammte an selbstentzündlichen
brandstiftenden Schmetterlingen: »Der Schmetterling hatte grellgelbe Flügel mit blauem Rand
samtig wie jene tropischen Exemplare.« Tag für Tag brennt es in Slatogorsk - ein Wohnheim das
Gerichtsarchiv ein Tanker im Hafen schließlich explodiert der städtische Pulverturm. Die
erfundene Provinzstadt im sowjetischen Süden am Meer wird zum »Brennpunkt des Weltgeschehens«.
Schmetterlingsund Brandgeschichten von einem Autor zum nächsten Autor weitergereicht
entfachen ein phantastisch kriminalistisches Verwirrspiel es wird zu Zeitsatire und Parodie.
Ilja Ehrenburg mit seinem Bewegten Leben des Lasik Roitschwantz (Band 375) oder Ilf und Petrow
mit ihrem schelmischen Goldenen Kalb (Band 340) und Kolokolamsk (Band 371) grüßen aus der Nähe.
Leitsterne dieses Gemeinschaftswerks voller ironischer Selbstkommentare und postmodernem Spiel
sind Nikolaj Gogol und E.T.A. Hoffmann. Es wimmelt von wunderlichen Genossen aus dem
sowjetischen Milieu im Umfeld der Neuen Ökonomischen Politik jener Tage: Da ist Berloga
Zeitungsreporter von Rotes Slatogorje immer mehr rückt der Kommissar Kukerow in den
Vordergrund ein Mann mit Gummimantel und Riss am Ohr hastet vorbei skurril sind Ganoven wie
»Petka das As« oder »RosinenMischka« - und ein großes Geheimnis umgibt den greisen Konzessionär
Mister Struk in seiner futuristischen Villa der einen Wolkenkratzer bauen möchte und eine
Konzession aus Moskau braucht. »So ihr seid also unzufrieden verehrte Bürger und Genossen?
Man hat euch in Unruhe versetzt? Hat euch aus eurer Ruhe aufgeschreckt? ... Wer tut das?
Verantwortungslose Schreiberlinge sowjetische Literaten alle möglichen Babels und Libedinskis
drohen euch mit Mordanschlägen ausländischer Terrortechnik und ähnlichem Quatsch? In der Tat
lohnt es sich denn seine Zeit mit Gesprächen über Explosionen und Brände zu vergeuden wo ihr
doch echte Sorgen habt - die Möbel die Steuern die Reisen zur Kur! Doch wenn ihr den
literarischen Phantasten nicht glauben wollt wenn euch die aufrichtige Besorgnis dieser stets
unruhigen und hellhörigen Menschen nicht wachrütteln kann dann mögen euch jetzt die Zeitungen
mit dem Holzhammer auf den Kopf schlagen!«