Ronald Pohl lässt in Dreyfus' Säbel die titelgebende Hieb- und Stichwaffe zu uns sprechen: über
das Handwerk des sanktionierten Mordens und die schmiedeeiserne Gefügigkeit ihrem jeweiligen
Besitzer gegenüber. Am liebsten freilich entspannt sich der Säbel im behaglichen Futteral und
räsoniert gegen eine blamable Existenz als Wanddekoration. Scharf urteilt das kampferprobte
Utensil über metallische Familienmitglieder: von der vernunftbegabten Schwester Guillotine bis
zum mordlüsternsten aller Schreibtischtäter dem Brieföffner. Pohl seziert auf seiner Tour
d'Horizon die abendländische Geschichte seit der Neuzeit als eine Abfolge sinnentleerter
Rituale und des brachialen Massakrierens sei es beim Knechten Indigener oder im
aristokratischen Duell. In der endlosen Kette von Kriegen und Umstürzen erweist sich
Antisemitismus als konstantes Schmiermittel für Unterdrückung und Gewalt. Auf der Bühne der
Pariser Weltausstellung wird der französische Artillerieoffizier Alfred Dreyfus als Opfer
auserkoren: Gegen das Mittel der Diffamierung kann jedes blitzende Schwert nur verblassen. Mit
kongenialen Anklängen an den geschmeidigen Konversationsstil des Fin de Siècle schmiedet Ronald
Pohl einen geschliffenen stichelnden und klirrenden Text voll metaphorischer Volten und
Finten. Im Überkreuzen der Waffen spiegelt sich die Dialektik einer zum sozialen Fechtplatz
abgewirtschafteten Welt.